vonGerhard Dilger 21.05.2013

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Editorial der Lateinamerika Nachrichten 247

Es ist ein Schlag mit dem Pfeffersack. Die Hamburger SPD-Alleinregierung hätte es in der Hand gehabt, das Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru über den Bundesrat auszubremsen. Aber den Pfeffersäcken um den Ersten Bürgermeister Olaf Scholz waren Wirtschaftsinteressen der Hansestadt wichtiger als der Schutz kolumbianischer und peruanischer Kleinbauern und -bäuerinnen vor unbotmäßiger Konkurrenz durch EU-Agrardumpingexporte. Die drei Ja-Stimmen Hamburgs waren im Bundesrat am 3. Mai das Zünglein an der Waage, das die Zustimmung zum Freihandelsabkommen sicherte.

Keine Frage: Als Hafenstadt würde Hamburg von einem Ausbau der Handelsbeziehungen zu Kolumbien und Peru besonders profitieren. Hamburg lebt vom Handel, prinzipiell je freier desto besser. Doch dass Freihandel weder allen Hamburger_innen und schon gar nicht den Menschen im Globalen Süden zugute kommt, müsste sich bis zu den Sozialdemokrat_innen in der Hamburger Bürger_innenschaft herumgesprochen haben. Schließlich hat sich die komplette SPD-Bundestagsfraktion – wie auch die beiden anderen Oppositionsparteien Linke und Grüne – noch Ende März aus guten Gründen dort gegen das Freihandelsabkommen ausgesprochen. Das ließ Scholz und Konsorten offensichtlich kalt. Geschäfte zu machen um jeden Preis hat in der Hansestadt eine lange Tradition. Die Definition des ehrbaren Kaufmannes war immer schon Auslegungssache. Bis heute wurde die Beteiligung Hamburgs am transatlantischen Sklavenhandel nicht spezifisch aufgearbeitet, bis heute werden Sklavenhändler wie Heinrich Carl Schimmelmann in hohen Ehren gehalten.

Es ist der zweite handelspolitische Sündenfall der Sozialdemokrat_innen binnen weniger Monate. Schon im Europaparlament konnte das Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru nur dank der Zustimmung fast der kompletten Fraktion der sozialdemokratischen Sozialistischen Fraktion am 11. Dezember vergangenen Jahres ratifiziert werden – ohne die Ratifizierung des Europaparlaments kann seit dem Vertrag von Lissabon von 2009 kein Freihandelsabkommen mehr in Kraft treten! Die Hamburger Sozialdemokrat_innen haben die Chance verpasst, diese Scharte auszuwetzen. Stattdessen präsentierten sie sich im Schröderschen Sinne wieder einmal als Genosse der Bosse – als Sachwalter großunternehmerischer Interessen.

Ein Nein im Bundesrat hätte zwar das Freihandelsabkommen nicht ad acta gelegt, doch es hätte den Weg für dringend nötige Nachverhandlungen eröffnet. Selbst eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie über die mutmaßlichen Folgen des Freihandelsabkommens kam zu dem Schluss, dass damit die bestehenden Landkonflikte weiter verschärft würden. Die Zahl der vier Millionen Binnenflüchtlinge in Kolumbien wird weiter wachsen. Die bisher vorgesehenen unverbindlichen Menschenrechts- und Umweltklauseln werden das sicher nicht verhindern.

Freuen können sich laut der Studie auch die Geldwäscher_innen und Steuerhinterzieher_innen, denen die massive Deregulierung des Finanzsektors ihre Geschäfte zu Lasten der Gesellschaft erleichtert. Diese Aussagen lagen ganz sicher nicht im Interesse der EU-Kommission: In Zeiten von Offshore-Leaks kommt der Kommission die Verbindung von Geldwäsche mit Freihandel nicht zupass.

Olaf Scholz und Co. haben kläglich versagt. Sie haben sich taub gestellt gegen die Mahnungen eines breiten Bündnisses von 45 Nichtregierungsorganisationen, von der Infostelle Peru über das FDCL und Attac bis hin zu Brot für die Welt. Und die Hanse-SPD hat sich taub gestellt gegen die Expert_innen der eigenen Partei aus der Bundestagsfraktion. Doch die Zeiten, in denen Freihandelsabkommen abseits der Öffentlichkeit durchgedrückt wurden, sind ein für allemal vorbei. Und die Elbblockade am Hamburger Hafen wird Scholz am 10. Mai gebührend gedenken.

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