- Wieder einmal steht Brasilien vor einer Richtungsentscheidung. Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt am 26. Oktober kommt es erneut zu einem Duell zwischen den Kandidaten der Arbeiterpartei (PT) und der Sozialdemokratischen Partei Brasiliens (PSDB). Doch während die PT die letzten drei Wahlen deutlich für sich entscheiden konnte, ist diesmal der Ausgang völlig offen. Die linke Amtsinhaberin Dilma Rousseff, deren Wiederwahl bis Mitte August gesichert schien, liefert sich nun ein erbittertes Kopf-an-Kopf-Rennen mit Aécio Neves, dem rechtsliberalen Senator und früheren Gouverneur des Bundesstaates Minas Gerais. Die Ökologin Marina Silva von der kleinen Sozialistischen Partei Brasiliens (PSB), der es nicht gelang, die Konturen ihrer «neuen Politik» überzeugend herauszuarbeiten, war im ersten Wahlgang am 5. Oktober mit großem Abstand hinter Rousseff und Neves auf dem dritten Platz gelandet. Nun unterstützt sie den Oppositionskandidaten.
Warum könnte – trotz aller oft gefeierten Erfolge bei der Armutsbekämpfung – die PT-geführte Koalitionsregierung abgewählt werden?
- Unvergessen ist der umjubelte Amtsantritt von Luiz Inácio Lula da Silva am 1. Januar 2003: 200.000 begeisterte AnhängerInnen feierten damals den strahlenden Ex-Gewerkschafter, als er im offenen Rolls-Royce durch die weitläufigen Straßen Brasílias fuhr. Ein Fan warf sich ihm auf dem Weg zur Vereidigung gar um den Hals. Gut gelaunt bildeten die Stargäste Fidel Castro und Hugo Chávez mit Daumen und Zeigefinger das Lula-L. «Wandel» war das erste Wort und zugleich das Motto von Lulas Antrittsrede: «Wandel ist das Schlüsselwort, das war die große Botschaft der brasilianischen Gesellschaft bei den Wahlen im Oktober. Endlich hat die Hoffnung die Angst besiegt», rief der frisch gekürte Staatschef. Wenn zum Ende seiner Amtszeit alle BrasilianerInnen die Möglichkeit hätten, täglich dreimal zu essen, habe er die Mission seines Lebens erfüllt.