vonClaudius Prößer 25.03.2009

Latin@rama

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Wenn zwei sich streiten, leidet der Dritte: Boliviens Präsident Evo Morales erkennt in der Klage, die Peru in der vergangenen Woche vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen Chile erhoben hat, den Versuch, Boliviens Anspruch auf einen Zugang zum Pazifik zu hintertreiben. Mit seiner Klage strebt Peru eine Neudefinition der maritimen Grenze zum Nachbarland Chile an. Die bestehenden Verträge betrachtet man in Lima als völkerrechtlich nicht bindend, es handelt sich nach aktueller Lesart lediglich um Fischereiabkommen.

Sollte Peru in Den Haag Recht bekommen, könnte das Land 38.000 Quadratkilometer in der bisher zu Chile gehörigen 200-Seemeilen-Zone bewirtschaften – und das ist in den fischreichen Pazifikgewässern eine ganze Menge. Der Konflikt hat eine lange und komplizierte Vor­geschichte, er geht auf den Salpeterkrieg (1879-1884) zurück, bei dem Chile die Provinz Arica und das Departement Tarapacá von Peru sowie das Departement Antofagasta von Bolivien erbeutete. Noch heute wollen peruanische Nationalisten – etwa Ollanta Humalas PNP – den Anspruch auf die verlorenen Territorien nicht aufgeben, und in Bolivien ist die Forderung nach einem Zugang zum Pazifik sowieso Religion.


Die genaue Argumentation der Klageschrift ist noch nicht bekannt, aber chilenische wie bolivianische Rechtsexperten gehen davon aus, dass der peruanische Schachzug Boliviens Chancen konterkariert, einen Korridor zum Meer an der peruanisch-chilenischen Grenze zu erhalten. Ein Thema, das unter den Regierungen Morales/Bachelet immerhin auf der zwischenstaatlichen Agenda steht. In Lima wird das gar nicht gern gesehen – schließlich entstünde so eine Pufferzone zwischen Peru und seinen ehemaligen Gebieten.

“Ich hoffe sehr, dass die Klage um die Seegrenze nicht dazu dienen soll, unsere historische Forderung auf einen souveränen Zugang zum Meer zu behindern”, sagte Morales am Montag bei den Feierlichkeiten zum “Tag des Meeres” in La Paz. Der Präsident sprach auch von “internen Fak­toren”, die zur Verzögerung des Themas betrügen, und zitierte aus dem Bericht einer chilenischen Journalistin. Ihr hatten Vertreter der rechten Opposition Boliviens anvertraut, man müsse eine schnelle Lösung des Meer-Problems hintertreiben. Denn sollte der Konflikt in Morales’ Amtszeit gelöst werden, würden ihn die dankbaren Bolivianer für alle Ewigkeit im Amt bestätigen.

Nachtrag: Boliviens Außenminister David Choquehuanca erklärte in einem Interview am Dienstag, auch sein Land könne in Sachen Zugang zum Meer eine Klage in Den Haag präsentieren: “Wir haben das nicht näher geprüft, aber die Option gibt es immer. Wir können das keinesfalls ausschließen.”

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kommentare

  • Die Argumentation finde ich doch etwas einseitig. wer den Krieg begonnen hat, ist eine etwas kompliziertere Frage und Fakt ist, dass Chile Peru und Bolivien Gebiete abgenommen hat und Bolivien dazu seinen Mehhrzugang insgesamt verloren hat. Dies ist ein immenser wirtschaftlicher Nachteil und ein Stachel, der Chile zum Erzfeind Boliviens gemacht hat. Sollten nun bestimmte “rechte” Kreise aus Peru und Bolivien eine Annäherung der historischen Erzfeinde behindern, so wäre dies ein schlechtes Zeichen für Südamerika insgesamt. Das hat nichts mit fehlendem Anstand, Respekt oder geringer Bildung zu tun. Wie im Artikel erwähnt, ist ein Meehrzugang für Bolivianer Religion (immerhin gibt es dort auch eine Marine :-)) und für jeden Politiker dort ein wichtiges Anliegen, unabhängig von sonstigem Populismus. Für Peru kann ich das nicht beurteilen.

  • Das ist typische Politik in diesen Ländern. Populistische Themen werden insbesondere in Peru und Bolivien sehr gern von der politischen Kaste aufgegriffen. Und die Menschen in diesen Ländern sind gute, sozial-ungebildete Abnehmer. Ich lebe in Peru und erlebe diese einfältige Diskussion um Gebietsansprüche von Peruanern und Bolivianer immer wieder. Dabei kann man am Verstand der Menschen quer durch die Bevölkerung zweifeln. Noch dazu wenn man bedenkt, dass Bolivien und Peru den Salpeterkrieg begonnen und aus Gier und völliger Selbstüberschätzung (die im Übrigen bis heute anhält) die Chilenen angegriffen haben. Nur haben sie verloren und sollten das akzeptieren.
    Aber die meisten Menschen hier in Peru besitzen weder Anstand, Respekt, noch soziale und intellektuelle Bildung, als dass sie sich auf die wirklichen Probleme des Landes stürzen: schlechtes Bildungswesen, katastrophales Gesundheitssystem, himmelschreiende Infrastruktur, ausufernde Korruption und unzureichendes Verkehrssystem. Also genug Arbeit für eine Regierung, die sich aber lieber den populistischen Meeresgebieten widmet.

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