von 17.12.2008

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David Choquehuanca spricht leise. Selbst ein handfester Skandal bringt den bolivianischen Außenminister nicht verbal in Rage. Dabei ist das, was er letzte Woche vor einer Gruppe von Europaabgeordneten berichtete, skandalös.

Vor zweieinhalb Jahren wurde beim EU-Lateinamerika-Gipfel der Staatschefs die Aufnahme von Verhandlungen zu einem Assoziationsabkommen zwischen der EU und den vier Ländern der Andengemeinschaft CAN (Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien) beschlossen. Bolivien und in geringerem Maße Ecuador verfolgten dabei eine entwicklungsorientierte Strategie: Im Handelskapitel etwa sollten Liberalisierungsschritte an nachweisbare Fortschritte bei der Diversifizierung der gehandelten Produkte aus den Andenländern geknüpft werden.

Von Anfang an waren die VertreterInnen der verhandlungsführenden EU-Kommission wie auch die der neoliberal regierten Länder Peru und Kolumbien skeptisch bis unwillig, ließen sich aber immerhin auf die Ausweitung der Agenda ein.

Beim EU-Lateinamerika-Gipfel in Lima im Mai 2008 jedoch kündigte  Noch-Handelskommissar Peter Mandelson an, gegebenenfalls mit einzelnen Ländern ein Freihandelsabkommen anzustreben, falls die Bolivianer nicht auf Linie gebracht werden könnten.

Kurz darauf bat Peru die übrigen Andenländer, bei der Gesetzgebung zu intellektuellem Eigentum aus der Andennorm aussteigen zu dürfen. Um dem mit den USA ausgehandelten Freihandelsabkommen zu entsprechen, wollte Peru die Möglichkeit zulassen, auch Leben – und nicht nur Erfindungen – zu patentieren.

„Wir haben keine Probleme damit, Erfindungen und Entdeckungen zu patentieren“, sagt David Choquehuanca, „aber Leben – unmöglich“. Dennoch stimmten Kolumbien wie auch Ecuador – gegen den lauten Protest ecuadorianischer Indígena- und Umweltgruppen – zu.

Der Streit innerhalb der Andengemeinschaft gab der EU im Juli den Vorwand, die vierte Verhandlungsrunde für das Assoziationsabkommen auszusetzen. Anfang September dann schrieben die Staatschefs von Peru und Kolumbien, Alan García und Álvaro Uribe, Anfang September separate, aber im Wortlaut identische Briefe an EU-Kommissionspräsident Barroso, in denen sie um separate Verhandlungen baten.

Als Reaktion darauf lud Ecuadors Präsident Rafael Correa in aller Eile zu einem Gipfel nach Guayaquil, wo sich die Wogen anscheinend glätten ließen und die vier Partner ein weiterhin gemeinsames Vorgehen gelobten. Doch die EU stellte sich erst mal taub und wartete ab.

Am 11. Oktober antwortete Barroso positiv auf die García-Uribe-Initiative und ignorierte somit die Übereinkunft aus Guayaquil. Die Notwendigkeit, eine Veränderung des gesamten Verhandlungsmandats beim Rat der 27 EU-Regierungen durchzusetzen, nahm er offenbar in Kauf, wohl wissend, dass der Rat so etwas ungern tut. Denn aus dessen Sicht der Dinge sollen kreative Sonderwege der Kommission keinesfalls der Regelfall werden.

Offenbar hatte jedoch die französische Regierung, die seit Jahren wegen der Entführung Ingrid Betancourts in enger Verbindung mit Kolumbien steht in diesem Fall vorab Zustimmung, wenn nicht Ermunterung signalisiert – französische Wasserunternehmen möchten gerne den kolumbianischen Markt erobern.

Barroso hat zwar mit Handelspolitik nichts am Hut, arbeitet aber auf eine weite Amtszeit als Ratsvorsitzender. Da zeigt man sich einer konservativen Regierung gegenüber gern gefällig.

Auch Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner würde gerne eine weitere Amtszeit in Brüssel verbringen. Eine Liste von Erfolgen während ihrer jetzigen Amtszeit machten sich da gut zur Präsentation. Abschlüsse von nennenswerten internationalen Abkommen sind bislang nicht darunter.

Im November schrieb auch sie einen Brief an die Andengemeinschaft. Man wolle diejenigen Länder, die gern ein Abkommen mit der EU schlössen, nicht benachteiligen, argumentierte Ferrero-Waldner, indem man sie hinhalte, nur weil ein paar Partner sich nicht an den Verhandlungstisch setzen wollten, schrieb sie. Aber man schlüge sicherlich keine Tür zu.

Falls Bolivien und Ecuador es sich später anders  überlegtem, könnten  sie immer noch (dem inzwischen dann wohl ausgehandelten) Abkommen beitreten. Pablo Solón, der bolivianische Chefunterhändler, schäumt: „Die EU zerstört mutwillig die Andengemeinschaft. Aber wir brauchen diesen Markt für unsere Produkte.“

Tatsächlich hätte die Andengemeinschaft im Bereich von Handelsvergünstigungen tarifärer Art  mit einem Assoziationsabkommen nicht viel zu gewinnen. Handelspräferenzen des Typs GSP+, die gerade erst wieder bis Ende 2011 verlängert wurden, garantieren Produkten aus Bolivien ohnehin Zugang zum europäischen Markt zum Null- oder sehr niedrigen Tarif. „Aber wir setzen auf regionale Integration, und die würde durch ein Assoziationsabkommen mit der EU sogar gestärkt“, meint Solón.

Doch die ist weiter weg denn je. Der bolivianische Außenminister beschreibt seine kuriose Odyssee nach dem 11. November: Auf dem Weg zur Kommission nach Brüssel erfährt er auf dem Madrider Flughafen vom ecuadorianischen Andenvorsitz, das EU-CAN-Treffen in Brüssel sei gecancelt, die Außenminister der Andenländer träfen sich statt dessen in Lima. Also schrieb Choquehuanca sein Ticket um und flog nach Lima, nur um dort festzustellen, dass Peru und Kolumbien bereits auf dem Weg ins Brüsseler Kommissionsgebäude seien.

Weil Belgien nun mal nicht um die Ecke liegt, ermächtigte Choquehuanca kurzerhand seinen Botschafter in Brüssel, Christian Inchauste, als Chefunterhändler Boliviens i.A. ebenfalls zum Treffen hinzuzustoßen. Doch dem schlug man die Tür vor der Nase mit der Begründung zu, es handle sich um ein internes Treffen Peru-Kolumbien-EU.

Der Botschafter Ecuadors, Fernando Yepes Lasso, schweigt dazu. Sein Außenministerium hatte nach dem 11. November zunächst verkündet, auch Ecuador strebe nun ein bilaterales Freihandelsabkommen mit der EU an, wurde dann aber von Präsident Correa zurückgepfiffen und gerügt.

Und die Zukunft? „Der Zug ist abgefahren“, meint Yepes, „wir müssen uns jetzt auf ein gutes Kooperationsabkommen und politischen Dialog konzentrieren“.

Auch der Vertreter Kolumbiens sagt keinen Ton, doch sein Blick sagt alles. Er weiß, dass Gewerkschaften und NROs die die britische Handelskommissarin Catherine Ashton heftig unter Druck zu setzen versuchen, die Verlängerung des GSP+-Verordnung auszusetzen, solange sich die äußerst schlechte Menschenrechtslage in Kolumbien nicht wesentlich bessert.

Wie erst soll die Kommission dann begründen, dass sie dem schlimmsten Menschenrechtsverletzer in der Region nicht nur Zollpräferenzen gewährt, sondern gar ein exklusives Freihandelsabkommen anbietet?

Der peruanische Botschafter ist vorsichtshalber erst gar nicht ins Europäische Parlament gekommen und hat nur einen stummen Mitarbeiter geschickt. Nach andiner Zusammenarbeit sieht das wirklich nicht aus.

Doch der bolivianische Außenminister gibt nicht auf. „In den meisten Verhandlungskapiteln hatten wir schon bis zu 90 Prozent Übereinstimmung. Nur beim intellektuellen Eigentum hakt es noch beträchtlich“, sagt Choquehuanca.

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