Als Serranos Sarg am Montagmorgen die San-Pedro-Kirche in Santiago verließ, spielte man „Ich hatt‘ einen Kameraden“, und auf dem Hauptfriedhof warteten schon faschistische Grüppchen, die ihr Idol mit „Heil Hitler“-Rufen verabschiedeten. Immerhin das Publikum in der Kirche war ein wenig seriöser gewesen, denn der einstige Karrierediplomat Serrano, der Chile in den Sechzigerjahren als Botschafter in Jugoslawien und Österreich vertrat, gilt in seiner Heimat immer noch als nicht ganz unbedeutender Literat. Surrealistisch soll sein Frühwerk gewesen sein, heißt es, er war der Neffe des Dichters Vicente Huidobro und mit Hermann Hesse sowie Carl Gustav Jung bekannt.
Ob Serrano tatsächlich irgendwann einmal etwas Interessantes geschrieben hat, möchte man aber spätestens nach Sichtung dieses Videos, das ihn bei einer Feierstunde zu Hitlers 100. Geburtstag zeigt, gar nicht mehr wissen:
Darf man, wie es hier bis vor kurzem der Fall war, auf ein Youtube-Video verlinken, das chilenische Nazis beim Ärmchenheben zeigt? Ist das aufklärerisch oder eher bedenklich? Ist es möglicherweise sogar illegal? Immerhin werden verfassungsfeindliche Symbole gezeigt. Im Prinzip erübrigt sich die Frage, denn Youtube hat das Video interessanterweise längst zensiert – wenn auch, so wie es aussieht, nur für Rechner mit deutscher IP-Adresse. Hier in Chile läuft es problemlos.
Ein Blog-Leser hat moniert, dass bei Anklicken des Films dieser zwar nicht zu sehen ist, dafür aber Links auf anderes, möglicherweise weniger clowneskes Nazi-Material erscheinen. Ob diese in Deutschland ebenfalls gesperrt sind, lässt sich von Chile aus nicht beurteilen. Der Link wird jedenfalls abgeschaltet. Wer sich das Spektakel trotzdem ansehen möchte, muss sich eines technischen Tricks bedienen, der an dieser Stelle leider nicht erklärt werden kann.
Serrano war nicht nur glühender Nazi und Identifikationsfigur für chilenische Ultrarechte, sondern überhaupt restlos durchgeknallt. Er hing der Legende an, Hitler sei nicht tot, vielmehr harre er tiefgekühlt in der Antarktis seiner Wiederkehr in einer Reichsflugscheibe. Die Araukaner bzw. Mapuche hielt Serrano derweil für Arier, weil sie aus Indien nach Patagonien gewandert seien – quer durchs Erdinnere übrigens, weil das der kürzeste Weg ist.
R.I.P. Miguel Serrano