vonPeter Strack 19.12.2013

latin@rama

Seit 2008 Nachrichten vom anderen Ende der Welt und anderswoher.

Mehr über diesen Blog

Am Mittwoch Mittag gingen Einheiten der bolivianischen Polizei mit Traenengas und Knueppeln gegen arbeitende Kinder vor, die vor das Parlament ziehen wollten, um gegen Abschnitte des im Parlament verhandelten neuen Kinder- und Jugendgesetzes zu protestieren. Statt Schutzmassnahmen fuer Kinder unter 12 Jahren vorzusehen, wie von den organisierten arbeitenden Kindern gefordert, wird deren Erwerbstaetigkeit im Gesetzesentwurf verboten. Nach Mobilisierungen hatten die arbeitenden Kinder erreicht, dass die Verfassung ausdruecklich zwischen Ausbeutung und anderen Formen der Kinderarbeit unterscheidet. Obwohl die Kinder im Vorfeld angehoert wurden, seien ihre Vorschlaege von der Parlamentskommission nicht beruecksichtigt worden.

Deshalb forderten die arbeitenden Kinder in den ersten Reaktionen den Ruecktritt des Vorsitzenden der Kinderkommission des Parlaments, Javier Zavaleta. Erst nach Intervention des bolivianischen Ombudsmannes war Zavaleta nach den Auseinandersetzungen bereit, sich mit den Kindern zu treffen. Er verweist darauf, dass Jugendliche ab 14 laut Gesetzentwurf das Recht haben zu arbeiten, und 12- bis 14-Jaehrigen dies immerhin mit Genehmigung der Kinderschutzbueros und Eltern unter angemessenen Bedingungen genehmigt werden koenne.

„Was soll mit den Zehnjaehrigen, den Neunjaehrigen, den Achtjaehrigen geschehen“, die Geld verdienen muessten, antwortete ein Junge, der anonym bleiben wollte, der Nachrichtenagentur Fides, „das Gesetz schuetzt sie nicht!“ Die wuerden so lange arbeiten koennen, bis Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungsprogramme ihre Arbeit ueberfluessig machen, so Zavaleta. Er geht von gerade einmal 10.000 der geschaetzten etwa 800.000 erwerbstaetiger Kinder und Jugendlicher aus, die wirklich auf die Arbeit angewiesen seien.

Nach Informationen von Fanny Huanca von ADIA, der Elternorganisation „Vereinigung fuer die Rechte von Kindern und Jugendlichen“ in La Paz, wurde bei dem Polizeiensatz vor den Tueren des Parlaments ein Maedchen ohnmaechtig. Zwei Jugendliche wurden mit Verletzungen verletzt ins Krankenhaus gebracht. Man werde die Polizei um entsprechende Berichte bitten, so Zavaleta, der hoffe, dass die Polizei sich klar werde, dass gegenueber unter 18-Jaehrigen „gewisse Sorgsamkeit“ angebracht sei. Dies waere auch in anderen Fragen der aktuellen Gesetzesdebatte angebracht, bei der zum Beispiel darum gestritten wird, ob kuenftig 14-jaehrige Straftaeter ins Gefaengnis geschickt werden sollen, statt die bisherige Altersgrenze von 16 zu erhoehen.

Nachtrag 20.12.2013:

Lourdes vocera de CONNATSOP hablando con Gabriela Montaño  Foto ERBOLNach Protesten im In- und Unterstuetzungsschreiben aus dem Ausland,  sowie grosser Resonanz in nationalen und internationalen Medien, trafen sich am Donnerstag Delegierte der Organisation arbeitender Kinder Boliviens UNATSBO u.a. mit der Senatspraesidenten Gabriela Montaño. Um einen gemeinsamen Diskussionsprozess zu ermoeglichen, wird die Entscheidung in den Januar verschoben und wurden Treffen mit Delegierten der Union Arbietender Kinder Boliviens aus allen Landesteilen vereinbart. Die UNATSBO ihrerseits verzichtet solange auf weitere Protestmassnahmen.

Nachtrag 23.12.2013

Am heutigen Montag wurde eine Delegation der Organisation arbeitender Kinder vom Praesidenten Evo Morales empfangen, der sich sehr besorgt ueber die Ereignisse am Mitwoch aeusserte. Arbeitende Kinder muessten geschuetzt werden, kommentierte anschliessend die Nachrichtenagentur der Regierung ABI die Position des Praesidenten. Die Arbeit zu verbieten, wuerde nur zu geheimer unkontrollierter Taetigkeit fuehren, was schlimmer fuer die Kinder waere. Viele Kinder seien auf das Einkommen angewiesen und viele erreichten mit Hilfe ihrer Arbeit den Abitursabschluss.  Die Chancen zu lernen, muessten garantiert und Ausbeutung verhindert werden, liess Morales in Uebereinstimmung mit den Forderungen der Kinder verlauten. 

“ Er werde uns bedingungslos bei dem Thema des Kinder- und Jugendgesetzes unterstuetzten“, berichtete Armando Manani von der Union Arbeitender Kinder Boliviens UNATSBO, nach dem Gespraech. „Denn er ist selbst ein arbeitendes Kind gewesen, so wie wir.“  

Fotos: Los Tiempos (Repression) und Red Erbol (Senatorin Montaño im Gespraech mit der UNATSBO Delegierten aus Potosí)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/latinorama/traenengas-gegen-arbeitende-kinder-konflikt-um-neues-kinder-und-jugendgesetz-in-bolivien/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Es ist doch so:
    Die GIER kennt kein Erbarmen. Die MACHT der Banker diktiert weltweit und globalisiert die unmenschlichen Bedingungen und gewinnt immer weiter an Oberwasser. –
    Mit LÜGEN führen die Mächtigen bis zum Exzess Kriege! Barrack Obama, Bush-Nachfolger, ist Drohnen-US-Präsident – und also keinen Deut besser als sein Vorgänger, ist dennoch schon gleich zu Anfang seiner Amtszeit mit dem „Friedensnobelpreis“ dekoriert worden, obwohl GUANTÀNAMO immer noch existiert…! usw. usw.

    ihre Waffen (auch die gegen uns) werden immer raffinierter. Sie plündern uns aus …
    CHE GUEVARA ist tot. Der herrschende (Raubtier-)Kapitalismus löst kein Problem – Fakt: er IST das Problem.

  • So lange die „erste“ Welt die Entwicklungsländer übervorteilt, solange es eine Wirtschaftsordnung in der Welt gibt die das Kapital bevorzugt werden die armen Länder der Welt ihre Menschen nicht anständig ernähren können! Dagegen kann auch Evo Morales nichts machen.

  • […] „Am Mittwoch Mittag gingen Einheiten der bolivianischen Polizei mit Traenengas und Knueppeln gegen arbeitende Kinder vor, die vor das Parlament ziehen wollten, um gegen Abschnitte des im Parlament verhandelten neuen Kinder- und Jugendgesetzes zu protestieren. Statt Schutzmassnahmen fuer Kinder unter 12 Jahren vorzusehen, wie von den organisierten arbeitenden Kindern gefordert, wird deren Erwerbstaetigkeit im Gesetzesentwurf verboten. Nach Mobilisierungen hatten die arbeitenden Kinder erreicht, dass die Verfassung ausdruecklich zwischen Ausbeutung und anderen Formen der Kinderarbeit unterscheidet. Obwohl die Kinder im Vorfeld angehoert wurden, seien ihre Vorschlaege von der Parlamentskommission nicht beruecksichtigt worden…“ Beitrag von Peter Strack auf taz.blogs vom 19.12.2013 […]

  • Bolivien hat doch einige Unternehmen verstaatlicht die ihre Gewinnen ins Ausland gebracht haben. Jetzt müsste doch genug Geld da sein damit die Kinder nicht mehr arbeiten müssen. Oder hat Morales Angst das gebildetet Bürger ihn nicht mehr wählen?

  • Die nationale Organisation arbeitender Kinder und Jugendlicher UNATSBO hatte vorgeschlagen, dass auch fuer unter 12jaehrige Schutzmechanismen vorgesehen werden, wenn sie erwerbstaetig sind. Sowie zu unterscheiden zwischen produktiver Taetigkeit unter geschuetzten Bedingungen (etwa der Mithilfe im elterlichen Betrieb oder auf dem Acker) und Ausbeutung durch Arbeitgeber. So steht es in der Verfassung. Dem sind die Gesetzgeber bislang aber nicht nachgekommen. Im Gesetzentwurf sind die Schutzmassnahmen nicht vorgesehen. Die UNATSBO bezweifelt, dass es so bald ausreichend Sozialprogramme gibt, die eine Erwerbstaetigkeit ueberfluessig machen und geht von wesentlich hoeheren Zahlen von Kindern aus, die auf den Verdienst angewiesen sind. Ausserdem werden im Gesetzentwurf pauschal eine ganze Reihe von Arbeitsbereichen – nicht nur im Bergwerk sondern u.a. in der Landwirtschaft – fuer Kinder (und Jugendliche) verboten, unabhaengig von den Umstaenden. Dagegen protestieren die Kinder und Jugendlichen.

  • Wir in Bolivien die Erwerbstätigkeit von Unter-12-Jährigen verboten, oder deren Beschäftigung? Werden also die Kinder bestraft, wenn sie erwischt weden, oder ihre Ausbeuter? So lange nur den Kindern das Arbeiten verboten wird, nicht aber den Arbeitgebern deren Beschäftigung, haben manche Familien womöglich tatsächlich keine andere Chance, ihren Lebensunterhalt zu sichern, als die, ihre Kinder arbeiten zu lassen. Die Unrernehmen haben dann nämlich überhaupt keinen Anreiz, die Eltern einzustellen. Im Gegenteil. Erwachsene gelten im Allgemeinen als vergleichsweise teuer und eher schwierig in der Handhabung. Seht zu Unrecht, wie man hier mit etwas gutem Willen erkennt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert