Jung, erfolgreich und zielstrebig sind Attribute, die man gern mit der Jugend eines Landes in Verbindung bringt. Auf zwei kubanische Schauspieler, die gerade einen Film zur Flucht von der Insel abgedreht haben, trifft all das zu. Nun sind sie selbst geflüchtet – wegen der fehlenden Perspektiven.
„Una noche“, eine Nacht, heißt der vielfach prämierte kubanische Film, der die Flucht von Abertausenden Kubanern auf allem, was schwimmt im Sommer 1994 thematisiert. Drei junge Protagonisten hat der Film der britischen Regisseurin Lucy Mulloy und zwei von ihnen nutzen Ende April die Chance, ihrer Heimatinsel den Rücken zu drehen: Anailín de la Rúa de la Torre y Javier Núñez Florián. Der dritte Schauspieler, Dariel Arrechaga, war der einzige, der in New York eintraf, wo der Film auf dem Filmfestival Tribeca in prämiert wurde. Eine traurige Tatsache, zu der sich die beiden Schauspieler Ende April im Fernsehen in Miami äußerten.
„Von klein auf habe ich davon geträumt, Kuba zu verlassen“, sagte Javier Núñez und „dort gibt es keine Chancen für Jugendliche“. Ein Satz, der deutlich macht, wo den Schauspielern der Schuh drückt. Doch damit sind sie nicht allein, wie die Zahlen der letzten Jahre zeigen. Immer wieder drehen junge Künstler, Sportler oder ganz normale, gut qualifizierte Kubaner der Insel den Rücken. Manchmal auf schwimmenden Untersätzen wie im Film „Una Noche“, doch meistens in Schnellbooten, die nachts irgendwo in Kuba anlanden, die Passagiere aufnehmen und mit Vollgas gen Mexiko oder Miami entschwinden. Javier Núñez und Anailín de la Rúa hatten es da einfacher, denn sie landeten mit dem Flugzeug in Miami und setzen sich dann von der Gruppe ab, die weiter nach New York fliegen sollte.
Doch die beiden hatten da schon lange den Entschluss gefasst, zu desertieren, wie die Flucht ins Ausland, in Kuba offiziell gern genannt wird. Als Verräter hat beispielsweise der ehemalige Staatschef Fidel Castro so manchen Sportler bezeichnet, der der Insel den Rücken drehte, um sich im Profisport mit den Besten der Welt zu messen wie Orlando „El Duque“ Hernández, eine Baseballlegende von der Insel, der auch in den USA Sportgeschichte schrieb. Die Liste der Sportstars, die seit Beginn der 90er Jahre Kuba den Rücken drehte ist lang, doch noch schwerer als die Prominenz von der Insel wiegen die rund 35.000 unbekannten jungen Kubaner, die im Jahresdurchschnitt die Insel verlassen.
Zumeist sind sie gut ausgebildet, jung und kreativ – und sehen in Kuba keine Perspektiven. So wie die beiden jungen Schauspieler, die gegenüber den Medien in Miami angaben nach dem Abdrehen des Films als Kellner beziehungsweise als Schmuckverkäuferin in Kuba gearbeitet zu haben. Als Schauspieler ist es nicht einfach in Kuba über die Runden zu kommen, denn es werden nur wenige Filme abgedreht.
Die fehlenden Perspektiven für die junge Generation sind allerdings längst ein Phänomen, mit dem sich auch die politische Führung in Havanna beschäftigt. Das hat die Konferenz der kommunistischen Partei (PCC) Ende Januar gezeigt, wo die Situation der Jugend ein zentrales Thema war. Attraktiver für die junge Generation müsse die Partei werden, so die Delegierten, aber ein Patentrezept hatten auch sie nicht parat.