vonClaudius Prößer 04.05.2010

latin@rama

Seit 2008 Nachrichten vom anderen Ende der Welt und anderswoher.

Mehr über diesen Blog

Jetzt hat auch Chile seine Missbrauchsaffäre: Seit Ende April ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den katholischen Priester Fernando Karadima. Mehrere Männer werfen ihm vor, sie wiederholt sexuell belästigt zu haben, während sie – als Jugendliche oder junge Erwachsene – an seiner Pfarrei tätig waren.

Karadima ist kein Unbekannter in Chile: Der charismatische 80-Jährige war „spiritueller Schüler“ des 1952 gestorbenen und 2005 heilig gesprochenen Jesuiten Alberto Hurtado, und er scharte an seiner Pfarrei „Sagrado Corazón de Jesús de El Bosque“ im Santiagoer Stadtteil Providencia junge Männer aus wohlhabenden Familien um sich, für die er selbst den Glanz der Heiligkeit ausstrahlte. So beschreibt es eines seiner Opfer, der Chirurg James Hamilton, der jetzt in einer Sondersendung des staatlichen TVN sein Schweigen auch öffentlich gebrochen hat. Hamilton und andere, die gegen Karadima klagen, berichten von der Methode des Priesters, sie in einem langsamen Annäherungsprozess zu „Komplizen“ der sexuellen Berührungen und Handlungen zu machen, die sie mit Ekel und Entgeisterung über sich ergehen ließen. Oft handelte es sich um junge Männer, die ohne Vater aufwuchsen. Karadima wurde erst zu ihrem Beichtvater, dann zu einem Ersatzvater – und dann noch mehr als das.

Während sich Karadimas aktueller Rechtsanwalt offenbar um Schadensbegrenzung bemüht (sein Vorgänger hatte es mit einem Konfrontationskurs versucht und angekündigt, psychiatrische Gutachten von den Opfern anzufordern), hat der Erzbischof und Kardinal von Santiago, Francisco Javier Errázuriz, die Gläubigen in einem Hirtenbrief um Vergebung gebeten. Er gab zu, eine kircheninterne Ermittlung gegen den Pfarrer von El Bosque im Jahr 2005 gestoppt zu haben, nachdem erste Verdachtsmomente bekannt geworden waren.

„Sehr mitgenommen“ soll der alte Mann selbst sein, teilte sein Anwalt mit. An Fürsprechern, vor allem in der chilenischen Rechten, fehlt es ihm noch nicht. So warf unlängst José Manuel Ossandón, der konservative Bürgermeister von Puente Alto, einem Bezirk von Groß-Santiago, der Kirche vor, Karadima als Buhmann und Sündenbock zu missbrauchen. Das konnten die Angesprochenen nicht auf sich sitzen lassen: Alejandro Goic, der Vorsitzende der chilenischen Bischofskonferenz, bezeichnete den Vorwurf als „infam“ und „inakzeptabel“. Die Vermutung liegt nicht fern, dass Karadimas Vergehen wegen seiner einstigen Nähe zum Heiligen Alberto Hurtado dem chilenischen Klerus besonders brisant erscheinen.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/latinorama/unheilige_beruehrungen/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert