vonClaudius Prößer 23.01.2010

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Auch eine Woche nach dem knappen, aber eindeutigen Wahlsieg von Sebastián Piñera empfiehlt sich noch die Lektüre der Analyse von José Natanson in der argentinischen Página/12 (der einzige grobe Schnitzer im Text, den auch in der Online-Ausgabe niemand korrigiert hat, ist der falsche Vorname Piñeras gleich im ersten Satz).

Natanson listet auf, was der Verlierer, die Concertación, in den vergangenen 20 jahren ihrer Regierungen geleistet hat – und die Bilanz fällt trotz und alledem positiv aus: Die Regierungen Aylwin, Frei, Lagos und Bachelet haben nicht bloß für anhaltendes Wachstum gesorgt, die Inflation klein gehalten und jede Menge Handelsabkommen abgeschlossen, sie haben auch die Armut signifikant verringern können. Die extreme Armut liegt heute knapp über drei Prozent (was kein anderes Land in der Region schafft), und, wie Natanson zu Recht feststellt, es gibt zwei Jahrzehnte nach Pinochet praktisch keine Elendsviertel mehr in Chile.

Auch auf den meisten anderen Gebieten fällt die Bilanz zugunsten der Concertación aus – wenn man ihr zugute hält, dass viele Großreformen, etwa das Wahlrecht, am Widerstand der rechten Opposition scheiterten. Warum dann also die Abwahl? Natanson sieht den Grund in der überproportionalen sozialen Ungleichheit: „Ohne jeden Zweifel ist der Kern des chilenischen Problems, die Erklärung für den Wahlsieg Piñeras und den Beginn einer neuen Ära, ein wirtschaftlicher und sozialer. Die anhaltende Ungleichheit in Chile ist nicht das Ergebnis einer Entgleisung des Wirtschaftsmodells, die mittels spezifischer Politiken korrigierbar wäre, sie ist wesentlicher Bestandteil des ökonomischen Entwurfs, den die Concertación nie verändern wollte oder konnte.“

Möglicherweise muss man dieses Fazit so lesen: Nicht etwa erwarten Piñeras Wähler vom neuen Präsidenten, dass er dieser Ungleichheit ein Ende bereitet – warum auch. Vielmehr war das Todesurteil der Concertación ihre schleichende Entzauberung, die anhaltende Enttäuschung einer beachtlichen Anzahl von Wählern, die am Ende ein „voto nulo“ abgaben, ihrer Wahlpflicht nicht nachkamen (z. B. kann sich entschuldigen, wer mehr als 200 Kilometer vom Wahlort entfernt wohnt – ein in Chile häufiger Fall) oder sich, im Fall der Jungen, schlichtweg gar nicht ins Wahlregister eintrugen.

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