vonClaudius Prößer 16.06.2009

Latin@rama

Politik & Kultur, Cumbia & Macumba, Evo & Evita: Das Latin@rama-Kollektiv bringt Aktuelles, Abseitiges, Amüsantes und Alarmierendes aus Amerika.

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Als ich 1991 zum ersten Mal auf einem Fahrrad durch Santiago de Chile fuhr, war es reine Glücksache, dass ich mein Ziel lebendig erreichte. Nicht nur war das Rad kaum verkehrstüchtig – die Autofahrer nahmen nicht die geringste Rücksicht auf Nichtmotorisierte. Ent­spre­chend oft be­geg­nete man anderen Radlern: praktisch nie.

Knapp zwanzig Jahre später ist das Radfahren immer noch kein Mas­sen­phä­nomen, aber trotzdem hat sich, zumindest in Santiago, eine Menge ge­tan. Zu­sam­men mit den zarten Ansätzen einer zweiradgerechten Infrastruktur ist auch ein neues Bewusstsein für die Vorzüge des Fahrrads gewachsen, das früher, wenn überhaupt, als Arme-Leute-Verkehrsmittel galt. Jetzt bekommt es langsam das Image, das es verdient: billig, sauber, gesund – und im Berufsverkehr dem Auto oft überlegen. Ihr Verdienst daran haben Vereine wie Bicicultura, die für eine fahrradfreundliche Gesetzgebung kämpfen, Radfestivals organisieren und das Leitbild einer ciudad ciclable (also einer fahrradgerechten Stadt) propagieren. Noch kann man hier von Berliner Zuständen nur träumen, aber die Richtung stimmt.

In anderer Hinsicht ist es sogar möglich, auf die “Fahrradstadt Berlin” mit leichtem Stolz herabzublicken: Seit ein paar Jahren ist das Projekt CicloRecreoVía im Entstehen. Dabei handelt es sich um die allsonntägliche Sperrung von mehreren zentralen Straßenkilometern pro Stadtbezirk, auf denen dann von morgens 9 Uhr bis nachmittags 14 Uhr Menschen Rad fahren, skaten, joggen oder einfach nur spazieren gehen können. Das Angebot wird bereits in zwei Bezirken mit der Unterstüzung Freiwilliger realisiert, weitere drei Bezirke sollen bald folgen. Wenn sich die Hoffnungen der Organisatoren erfüllen, steht am Ende irgendwann ein stadtumspannendes Netz aus “Rad-Erholungs-Wegen”.

Ausgedacht haben sich das allerdings nicht die Chilenen. In der ko­lum­bia­ni­schen Haupt­stadt Bo­go­tá werden seit Mitte der Neunziger jeden Sonntag rund 120 Ki­lo­me­ter innerstädtische Straße abgesperrt. Hier eine kleine Doku über die Ci­clo­vía von Bogotá:

(Wenn das eingebettete Video nicht funktioniert, hier klicken.)

Nichts gegen die alljährliche Sternfahrt – aber wann kommt die allwöchentliche Berliner ciclovía?

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kommentare

  • 2007 sind mir in dem zusammenhang noch die furiosas ciclistas in santiago de chile aufgefallen.
    http://www.furiosos.cl/
    einmal monatlich organisieren sie eine demo mit reger anteilnahme um sich für radwege und fahrradfreundlichkeit einsetzen.
    ihr slogan in einer der versmogtesten städte latainamerikas: “por una ciudad sin contaminacion la bici es la solucion”

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