vonGerhard Dilger 27.01.2009

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Ein zentrales Thema des Weltsozialforums in Belém wird Amazonien sein. Auch auf dem „Forum über Theologie und Befreiung“, das am Sonntag zu Ende ging, drehten sich viele Aktivitäten um die bedrohliche Lage für Mensch und Natur in der Neun-Länder-Region. Im Foyer wurde an die Ordensfrau Dorothy Stang erinnert, die ihren Einsatz für brasilianische Kleinbauern 2005 mit dem Leben bezahlte.

Stargast war der 70-jährige Befreiungstheologe Leonardo Boff, der klarsichtig die Krise Amazoniens und der Welt analysierte. „Das Weltsozialforum muss Druck auf die brasilianische Regierung ausüben, damit sie eine klare Amazonienpolitik entwickelt“, sagte er in einem Interview. Bislang gebe es nur punktuelle Maßnahmen gegen die Waldzerstörung, aber keinen kohärenten Plan, kritisierte Boff: „Wir brauchen keinen Plan zur Beschleunigung des Wachstums, sondern zur Integration und zum Erhalt Amazoniens.“

Doch bei seinen öffentlichen Auftritten zeigte sich eine Schwäche, die viel mit der politischen Kultur der lateinamerikanischen Linken zu tun hat: Kontroverse Debatten sind Mangelware. Auf dem Podium am Samstag saß nicht nur Boff, sondern auch die ehemalige Umweltministerin Marina Silva, die nach ständigen Reibereien mit mächtigeren Ressortkollegen im letzten Mai zurückgetreten war.

Der mutige Staatsanwalt Felício Pontes, der keinem Konflikt mit den Mafiosi des Bundesstaates Pará aus dem Weg geht, schilderte in seiner Einführung das vorherrschende Raubbaumodell. Anhand zweier Karten wies er darauf hin, dass gerade im „Entwaldungsbogen“ im Osten und Süden des brasilianischen Amazonasgebietes auch die Menschenrechte am meisten verletzt werden: Im Südwesten und Süden Parás gibt es die meisten modernen Sklaven und die meisten Morde an Landarbeitern.

Doch statt einer lebendigen Debatte folgten langatmige Grundsatzreferate von Silva und Boff. Silvas selbstgefälliges Resümee ihrer fünfjährigen Amtszeit blieb unwidersprochen im Raum stehen. Die konkreten Schwierigkeiten, Wege abseits des Wachstumswahns zu gehen, wurden nicht thematisiert, stattdessen gab es linkes Liedgut und freundlichen Applaus für Allgemeinplätze.

Spannender war es, was in einem Workshop Pastor Walter Sass berichtete, der für den lutherischen Indianermissionsrat COMIN im Südwesten des brasilianischen Bundesstaats Amazonas tätig ist: Zusammen mit den Lehrern der Deni- und der Kanamari-Indígenas schrieb er ihre Mythen auf und verfasste ein Mathematikbuch. Westliche Theologen könnten durch die Kosmologie der Ureinwohner wieder lernen, dass nicht der Mensch der Mittelpunkt der Welt sei, meinte Sass, dessen Arbeit von einem Freundeskreis in Deutschland finanziert wird. Ähnlich wie seine Kollegen vom katholischen CIMI plädiert er für einen respektvollen Umgang mit den Indígenas auf Augenhöhe – eine Position, mit denen die linken Kirchenleute in ihren Heimatgemeinden immer wieder anecken.

So lieferte das Theologenforum einen zwiespältigen Vorgeschmack auf das Weltsozialforum, das heute beginnt: gewinnbringender Austausch in überschaubaren Workshops, folgenlose Jubelveranstaltungen mit Stars. Der Höhepunkt in der zweiten Kategorie soll am Donnerstag ein gemeinsamer Auftritt der fünf linken Präsidenten Lula, Evo Morales, Hugo Chávez, Rafael Correa und Fernando Lugo sein.

Ob die allerdings aus Belém den Anstoß mitnehmen, eine andere, womöglich koordinierte Amazonaspolitik in Angriff zu nehmen, darf bezweifelt werden. Offen ist dagegen, ob Lula, der seine Wunschnachfolgerin Dilma Rousseff mitbringen will, nicht nur Beifall bekommt, sondern sich auch Pfiffe anhören muss – wie schon auf dem Forum 2005.

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