Einer der Gründe, warum der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle auf seinem Trip von Brasilien nach Mexiko in Peru Station gemacht hat, liegt vor meiner Haustür:
Jeden Morgen verstopft eine länger werdende Autoschlange die Gassen meines Wohnviertels in der peruanischen Hauptstadt. Längst sind es keine abgehalfterten Schrottautos mehr, oder die bis vor wenigen Jahren noch beliebten Trabis aus koreanischer Produktion. Heute leistet sich die aufstrebende Mittelschicht Perus neue Autos. Ich habe nicht gezählt, wieviele Autos deutscher Fabrikation darunter sind. In den Augen des deutschen Aussenministers dürften es eindeutig zu wenige sein.
Denn Peru gehört in der Liste der bundeseigenen Gesellschaft für Aussenwirtschaft und Standortmarketing „German Trade and Invest“ zu den 10 Top-Exportmärkten für das Jahr 2012. In dieser Liste sind so unterschiedliche Länder wie die Mongolei, Norwegen, Mexiko und eben Peru, denen gemeinsam ist, dass sie ein hohes Wirtschaftswachstum aufweisen und mit ihrem übrigen Geld noch zu wenig deutsche Produkte kaufen.
Nun hat Westerwelle in seiner gestrigen Rede in der Katholischen Universität nicht gesagt, dass Peru zu wenig deutsche Autos hat. Sondern, dass immer noch zu wenige Studenten aus Peru nach Deutschland kommen. Ein Motiv des Besuchs war die Unterzeichnung eines neuen Universitäts-Austausch-Abkommens zwischen dem DAAD und peruanischen Universitäten, damit mehr Peruaner in Deutschland studieren können.
Westerwelle machte aber keinen Hehl daraus, dass ein Ziel seiner Reise ist, wirtschaftliche Potentiale zwischen Lateinamerika und Deutschland zu fördern. Und in Peru sind die noch längst nicht ausgereizt. Ein besonderes Anliegen war Westerwelle die Umwelttechnologie. Umweltschutz und Klimapolitik hiesse in Zukunft weniger der direkte Ressourcenschutz, sondern die Anwendung deutscher Umwelttechnologie, speziell in Erneuerbaren Energien, „da sind wir die Besten der Welt“ – „neben Bier und Fussball“ (Lacher).
Soweit eigentlich nichts Neues. Dass der liberale Aussenminister im Moment des europäischen Bedeutungsverlustes als Aussenhandelsminister für deutsche Wirtschaftsinteressen unterwegs ist, dürfte niemanden verwundern und dürfte für viele Deutsche nachvollziehbar sein. Dass Westerwelle sich klar für die Ratifizierung des Freihandelsvertrages zwischen der EU und Peru ausspricht, auch nicht. Hier geht er absolut konform mit seinem peruanischen Amtskollegen Roncagliolo.
Überraschend ist vielmehr die politische Botschaft Westerwelles: Immer wieder betont er die gemeinsamen Werte zwischen Lateinamerika und Europa, in Bezug auf Menschenrechte ebenso wie aufs Frauenbild (ein kleiner Seitenhieb auf den Iran, zu dem die lateinamerikanischen Staaten ja durchaus ein differenzierteres Verhältnis haben als Deutschland). Und winkt da im Hintergrund etwa der Konkurrent China, der wichtigste Handelspartner Perus, von dem man nicht recht weiss, wie er es mit den westlichen Werten hält ?
Ein weiterer Seitenhieb, dieses Mal in Richtung USA: Wir (sprich Deutschland und Lateinamerika) sind beide Multilateralisten. Deutschland buhlt nicht nur um eine aufstrebende wirtschaftliche Region, sondern sucht neue , eigene, politische Allianzen in der Region, ganz im Sinne der neuen Lateinamerika-Strategie der Bundesrepublik.
Wirklich interessant wäre es allerdings gewesen, von Westerwelle zu hören, ob die 10.000 Demonstranten, die am Freitag vor dem Präsidentenpalast in Lima gegen den peruanischen Wirtschaftsmotor „Bergbau“ protestierten, nun auch die gemeinsamen westlichen Werte repräsentieren , und wie sich die Bundesregierung mit ihrer Rohstoffpolitik zu den Schattenseiten des lateinamerikanischen Wirtschaftswunders stellt.
(Quelle: www.blickpunkt-lateinamerika.de)
[…] letzte Woche wieder hat Außenminister Guido Westerwelle in Brasilien und Peru die “Segnungen des Freihandels” beschworen. Doch die bereits unterzeichneten […]