vonericbonse 05.06.2021

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Die Europa-Freunde jubeln: Seit dem 1. Juni hat die EU wichtige neue Kompetenzen. Brüssel darf Schulden aufnehmen, zudem nimmt ein europäischer Staatsanwalt und ein steuerpolitisches Beratungsteam die Arbeit auf. Wird die EU zum Staat?

“Historisch”. Mit diesen Worten beschreibt der EU-Experte L. Guttenberg vom Berliner Delors-Institut den Umstand, dass die EU Schulden im Wert von bis zu 750 Mrd. Euro aufnehmen darf – im Namen aller 27 Mitgliedsländer.

Historisch wird auch der Start des Europäischen Staatsanwalts genannt. Der soll zwar (zunächst) nur Betrugsfällen beim EU-Budget nachgehen – doch damit bekommt der europäische RechtsSTAAT neue Zähne, das EU-Budget wird besser geschützt.

Optimisten sehen bereits das europäische Schatzamt, die europäischen Steuern und schließlich den EU-Finanzminister kommen – durchaus logische Schritte auf dem Weg zu einer “immer engeren Union”, die in den beiden oben genannten angelegt sind.

Vor allem Frankreich will in diese Richtung gehen. Präsident Macron und die von ihm eingsetzte Kommissionschefin von der Leyen reden sogar schon von einer “europäischen Souveränität” – damit wurden etwa die jüngsten Sanktionen gegen Belarus begründet.

Doch Souveränität setzt einen Souverän voraus. Der fehlt ebenso wie eine echte Legislative und eine europäische Exekutive. Das Europaparlament ist viel zu schwach, und die Gesetze, die Brüssel vorschlägt, müssen von den Mitgliedsstaaten exekutiert werden.

Die EU ist also kein Staat, und sie ist auch nicht auf dem Weg dorthin – so sehr sich das manche auch wünschen mögen. Es ist viel komplizierter – und auch problematischer. Denn die EU-Kommission eignet sich immer mehr Kompetenzen an, die sonst nur ein Staat hat.

Sie wird somit zum Staat im Staate, oder zum Nebenstaat, der neuerdings nicht nur in der Finanz-, sondern auch in der Gesundheitspolitik mitmischt – ohne dafür ein demokratisch legitimiertes Mandat zu haben, von parlamentarischer Kontrolle ganz zu schweigen.

Das macht mir Sorgen, bei aller Freude über die “historischen” Schritte, die am 01.06.2021 gelungen sind. Vor allem die geplante “Gesundheitsunion” ist bedenklich.

Die EU ist nicht gut durch die Pandemie gekommen, die Fehler wurden nicht aufgearbeitet, das Parlament ist außen vor. Keine gute Basis für die Übertragung von Kompetenzen nach Brüssel…

Siehe dazu auch mein E-Book “Die Coronakrise und die EU: Todesstoß oder heilsamer Schock?”

P.S. Über diese und andere Fragen können die Bürger bei der Konferenz zur Zukunft der EU mitreden, mehr dazu hier

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https://blogs.taz.de/lostineurope/2021/06/05/ein-staat-im-staate/

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