Wie soll man die vorläufige Einigung der GroKo in Berlin bewerten? Auf den ersten Blick ist sie gut für EUropa, Frankreichs Staatschef Macron hat sie begrüßt.
Aus französischer Sicht ist vor allem erfreulich, dass das 28-seitige „Sondierungspapier“ keine offensichtlichen roten Linien enthält – so wie sie bei „Jamaika“ zu befürchten waren.
Das Ergebnis der Sondierung sei für die das „europäische Projekt“ günstiger als der Jamaika-Entwurf, so Macron. Ähnlich äußerte sich Kommissionschef Juncker. Doch die Sache hat einen Haken.
Zum einen lässt das Papier neue Horizonte vermissen. Es stellt die EU zwar in den Mittelpunkt – aber vor allem deshalb, weil ihr Deutschland „unendlich viel zu verdanken“ habe – das will man absichern.
Wohin die Reise geht, bleibt dagegen offen. Die Koalitionäre sprechen sich weder für die „Vereinigten Staaten von Europa“ aus noch für ein „souveränes“ Europa, das seine Bürger verteidigt und schützt.
Die Visionen von SPD-Chef Schulz und von Präsident Macron finden also keinen Widerhall. Kanzlerin Merkel und ihre Koalitionäre setzen ihr aber auch keine neue eigene Perspektive entgegen.
Sie loben Macron – doch sie folgen Juncker, der das längst überholte und widerlegte Maastricht- und Lissabon-Europa restaurieren und konsolidieren, aber keinen Neustart wagen will.
Eine Überraschung ist das nicht. Schließlich profitiert Deutschland wie kein zweites Land von dieser EU; im „deutschen Europa“ (U. Beck) geht es vor allem um die Verteidigung des Status Quo.
Wenn doch etwas geändert wird, dann soll es zu deutschen Bedingungen geschehen. Das gilt auch für die Erhöhung des Beitrags zum EU-Budget – Haushaltskommissar Oettinger (CDU) hat ihn schon eingeplant, zugleich aber mit Konditionen versehen.
„Antworten findet man nicht viele in diesem Sondierungspapier“, schreibt H. Prantl in der „Süddeutschen“. „Europapolitisch ist es ein Soufflé. Viel Luft, wenig Substanz.“ Recht hat er.
Und was ist mit der Erwartung, nun könne die EU endlich wieder voranschreiten, die Zeit des Wartens auf Merkel sei zu Ende? Auch sie ist trügerisch. Denn bis Ostern könnte es noch dauern, bis die GroKo steht.
Und selbst dann sind keine schnellen Fortschritte zu erwarten. Die Auszeit war ja weder von den Wählern noch von der SPD verschuldet – sondern von Merkel, die schon im Wahlkampf jede Festlegung vermied.
Auch viele Probleme, denen sich die EU nun gegenübersieht, sind von der „ewigen“ Kanzlerin verschuldet. Als sie 2015 ihre größten Fehler machte, hat Schulz (damals Chef des Europaparlaments) alles mitgetragen.
Es wäre daher falsch, in dieses anachronistische Duo große Hoffnungen zu setzen. Bestenfalls steht es für die Aufarbeitung der alten Fehler, schlimmstenfalls für ihre Wiederholung.
Für einen Aufbruch zu neuen Horizonten steht es gewiß nicht.