vonericbonse 23.05.2020

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Kanzlerin Merkel hat wieder eine abrupte Wende hingelegt. Der Recovery-Plan, den sie mit Präsident Macron vorgelegt hat, hat wenig mit ihren bisherigen Positionen gemein. Doch sie hatte keine Wahl – Merkel mußte sich bewegen.

Am liebsten hätte sie wohl auch diese Entscheidung ausgesessen. Bei mehreren EU-Gipfeln hat sich die Kanzlerin denn auch keinen Millimeter bewegt. EU–Schulden lehnte sie ebenso ab wie Finanz-Transfers in den Süden.

Doch die Forderungen wurden immer lauter, der Druck immer größer. Am Ende hatte Macron eine Allianz von neun gleichgesinnten Staaten geschmiedet, die finanzielle fordern. Deutschland geriet in die Minderheit.

Doch auch das hätte wohl nicht genügt – wäre da nicht auch noch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank gekommen. Seither sitzt Deutschland auf der Anklagebank.

Kommissionschefin von der Leyen droht sogar mit einem Vertragsverletzungsverfahren, weil die Karlsruher Richter sich anmaßen, über dem EU-Recht und dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu stehen. Das hat auch Merkels Standing beschädigt.

Zudem ist die deutsche Position in der unhaltbar geworden. Zu Beginn der Pandemie konnte Merkel noch damit argumentieren, Deutschland sei genauso betroffen wie alle anderen EU-Länder – und Forderungen aus Südeuropa abwehren.

Nun, da die Corona-Welle abebbt, zieht dieses Argument jedoch nicht mehr. Deutschland steht als größter Gewinner da – nicht nur bei der Seuchen-Bekämpfung, sondern auch bei der Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Krisenfolgen.

Als Gewinner muss man jedoch großzügiger sein – insbesondere dann, wenn man auch künftig von der EU und ihrem lukrativem Binnenmarkt profitieren möchte. Dies hat Merkel erkannt – und sich gerade noch rechtzeitig bewegt.

Dabei ist sie Macron und den Südeuropäern nicht weiter entgegen gekommen, als sie mußte – sie hat nur unhaltbar gewordene Positionen geräumt…

Siehe auch “Jetzt wird es ernst – auch für Merkel”

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https://blogs.taz.de/lostineurope/die-deutsche-position-ist-unhaltbar-geworden/

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kommentare

  • Sorry, aber die Verfassungsrichter maßen sich weder an, über dem EU Recht zu stehen, noch über dem Europäischen Gerichtshof. Sie urteilen lediglich anhand des deutschen Grundgesetzes. Offensichtlich verstößt die EU gegen dieses.

    • German judges can decide what is consitutionally in Germany. Liberal democracy has its rules and that is one of them. They can say that those legislataion cannot reach Germany when they have to interprete the Constitution in the right way. But they cannot reach more than the german borders. They cannot say that it is so for the whole UE or any other country. It is The German constitituion made by Germans for Germans.

    • Nun ja, dann muss man halt das deutsche Grundgesetz passend machen. Oder aus der EU austreten.

      „Pacta sunt servanda“ — war das nicht unser „Oberschäuble“, der das seinerzeit gesagt hat? Vielleicht muss ja nur die „Schuldenbremse“, die sich 2009-2011 in das Grundgesetz hineinschlich einfach wieder raus?

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