Präsident Selenskyj hat eingeräumt, dass die ukrainische Gegenoffensive gescheitert ist. „We wanted faster results. From that perspective, unfortunately, we did not achieve the desired results. And this is a fact,” sagte Selenskyj in einem AP-Interview.
Es ist das erste Mal, dass er das Scheitern offen einräumt. Bisher hatte er ähnliche Aussagen des Generalstabsschefs Saluschnyj zurückgewiesen.
Die große Frage ist nun, was aus dem Debakel folgt. Die EU und die Nato üben sich in Durchhalteparolen. Kriegsmüdigkeit sei nun das größte Problem, heißt es in Brüssel. Der Stellvertreterkrieg soll weiter gehen – koste es, was es wolle!
Der Ukraine gehen die Soldaten aus
Doch mit der Realität hat das nicht viel zu tun. In Wahrheit ist das größte Problem die fehlende Strategie – und die schwindende Manpower der ukrainischen Armee. Der Ukraine gehen die Soldaten aus, weshalb Selenskyj die Einberufung erneut reformieren und verschärfen will. Doch auch das dürfte wenig bringen – da Kremlchef Putin gleichzeitig angekündigt, die russische Armee nochmals zu vergrößern!
Beunruhigend ist auch die strategische Blindheit, mit der der Westen geschlagen ist. Sie hat sich nun schon mehrfach gezeigt. Seit Beginn der russischen Invasion wurden bereits drei große Chancen vergeben, den Krieg zu beenden oder wenigstens in ruhigere Bahnen zu führen.
Die erste Chance waren die ukrainisch-russischen Verhandlungen im Frühjahr 2022. Sie hätten den Krieg schnell beenden können, wie man nun sogar in Kiew zugibt.
Die zweite Chance kam im Herbst 2022, nach den ukrainischen Rückeroberungen. Kiew hätte diese zu Verhandlungen nutzen können, sogar aus einer Position der Stärke.
Die dritte Chance kam mit der Frühjahrsoffensive. Sie wurde nur militärisch geführt, die versprochenen diplomatischen Initiativen wurden verschlafen. Man setzte einseitig auf die ukrainische „Friedensformel“, also den Sieg – eine Illusion, wie wir heute wissen.
Fehlende militärische oder diplomatische Strategie
Nun böte sich eine vierte Chance – die Kriegsziele zu überdenken und Verhandlungen einzuleiten, um den Krieg noch vor der US-Präsidentschaftswahl zu beenden. Das wäre im amerikanischen, aber auch im wohlverstandenen europäischen Interesse.
Denn auf sich allein gestellt, kann die EU der Ukraine nicht zum Sieg verhelfen. Sie kann ja nicht mal genügend Munition liefern – von Waffen ganz zu schweigen. Zudem hat die EU keine militärische oder diplomatische Strategie, die nach vorn weist.
Doch statt die Lage endlich realistisch zu beurteilen und die nötigen Schlüsse zu ziehen, begibt sich EUropa in höchste Gefahr. Die EU-Chef setzen auf massive Aufrüstung und schließen – wie Ex-Außenminister Fischer – nicht einmal nukleare Bewaffnung aus…
Die größte Chance, diesen Krieg zu beenden, wird im Blogeintrag leider gar nicht erwähnt. Die EU hätte ja auch die Möglichkeit gehabt, hunderttausenden russischen Kriegsdienstverweigerern Asyl zu bieten.
https://taz.de/Aufnahme-russischer-Deserteure/!5880272/
Das hätte nicht nur unzählige Menschenleben gerettet, sondern auch bei den ukrainischen Problemen mit der „Manpower“ geholfen. Das Putin-Regime hätte dann nicht unbegrenzte Rekrutenmassen zur Verfügung gehabt, mit denen es die ukrainischen Linien überrollen kann, während den Ukrainern ihrerseits die Soldaten ausgehen. Jeder Russe, dem hier in Europa Asyl gewährt wird, ist ein russischer Soldat weniger, der auf Ukrainer schießt.
Dass es dazu nicht gekommen ist, liegt auch an dem in Deutschland grassierenden Rassismus gegen alle Russen (Credo: „Das sind doch alles FSB-Agenten!“). Deshalb wollen viele Deutsche nicht mal russische Kriegsdienstverweigerer aufnehmen. Die Populistin Nancy Faeser, die für solche Stimmungen ein feines Gespür hat, räumt russischen Deserteuren deshalb keinerlei Schutz in Deutschland ein. Traurig, dass nicht mal linke Journalisten auf dieses himmelschreiende Unrecht mehr aufmerksam machen.