vonericbonse 11.10.2025

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Europa werde vielleicht den letzten Sommer im Frieden erleben, hat der prominente Militärhistoriker Sönke Neitzel im Frühjahr orakelt. Nun rudert er zurück – und wird trotzdem für Kriegshetze vereinnahmt.

Bei seiner düsteren Prognose habe er sich vom Auftritt des US-Vizepräsidenten J.D. Vance und dem Eklat um Präsident Selenskyj im Weißen Haus leiten lassen, sagte Neitzel bei “Maischberger”. Es klang fast wie eine Entschuldigung.

Jedenfalls hob er seine Kriegswarnung für den Moment auf. „Es kann die nächsten drei Jahre zu eine militärischen Auseinandersetzung mit Truppen zwischen Russland und der Nato kommen“, erklärt er nun reichlich vage.

Wahrscheinlicher sei aber ein “hybrider Krieg”, mit dem Russland die EU und die Nato schwächen wolle. “Und dann einen uneinigen Westen herauszufordern, indem man Soldaten schickt, nach Spitzbergen oder irgendwohin.“

Spitzbergen – das klingt nicht nach einem großen und nahen Krieg, wie es noch im Sommer geheißen hatte. Litauen nannte der “Experte” zwar auch als möglichen Kriegsschauplatz – nicht aber Polen oder Deutschland!

Dennoch gibt sich Neitzel weiter für Kriegshetze her. “Ist Krieg gegen Putin unausweichlich?”, titelt BILD nach dem TV-Talk. Die Aussagen seien “schockierend” gewesen – dabei ist Neitzel in Wahrheit zurückgerudert. Er hat sich getäuscht.

Allerdings hätte er sich wenigstens für seine falsche Warnung entschuldigen können. Von einem Historiker erwarte ich ohnehin keine Prognosen, sondern Erklärungen dafür, warum es zum Krieg gekommen ist – und wie er zu beenden wäre…

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kommentare

  • Zur Ehrenrettung von Herrn Neitzel muss man erwähnen, dass Frau Lambrecht ohnehin kein besonderes Interesse an ihrem Job als Verteidigungsministerin hatte und die sachfremde Preisvergabe eher aus Unlust geschah. Wie ein Historiker dazu kommt sich mit dem Gegenteil seiner Profession zu beschäftigen ist mir allerdings ein Rätsel. Ein Autohersteller vertreibt auch kein Gemüse und aus den Lottozahlen von vor 30 Jahren kann man auch nicht herauslesen, welche am nächsten Wochenende kommen.

    Vielleicht hatte er einfach nur Langeweile und wollte mal was anderes machen.

    • Was auch immer Sie mit dem“Gegenteil seiner Profession“ meinen, Neitzel ist Militärhistoriker. Und meines Wissens ist das Geschehen, das in dieser Disziplin erforscht wird, doch etwas regulärer als die von Ihnen bemühten Lottozshlenziehungen. All das von Ihnen Vorgebrachte überzeugt so gar nicht.

  • Kriegshetze? Ich bin irritiert. Neitzel plädiert lediglich dafür, auf Nummer sicher zu gehen, nicht andere Länder zu überfallen. Und niemand glaubt doch ernsthaft, dass Putin solange warten wird, bis die Verteidigungsfähigkeit Europas abgeschlossen ist.

  • „Kriegshetze“, Herr Bonse, ist etwas anderes als abzuwägen, ob ein Krieg unausweichlich sei. Nun ist die Bild nicht fürs Abwägen bekannt – geschenkt! Dennoch gebührt Herrn Neitzel Respekt dafür, dass er auch auf, sagen wir, leicht rezipierbarem Level den Leuten erklärt, was Sache ist. Kriegshetze war da nirgends. Zur Erinnerung, Kriegshetze ist eher sowas wie „Warum wir den Erbfeind Frankreich angreifen müssen“ oder „Let’s bomb Iran“. Niemand rührt in diesem Land die Werbetrommel für den Krieg! Im Gegenteil, diese Talks und Selbstversicherungen sind eher ein Ausweis von latenter Angst, es würde unausweichlich zu einer Konfrontation mit dem Russofaschismus kommen. Sie dienen auch der Bewusstseinsbildung: sind wir bedroht? Sind wir akut bedroht? Können wir uns – sofern eine Bedrohung besteht – vorbereiten? So klingt Kriegshetze wirklich nicht. Es sei den man ist so drauf, wie Matthias Platzeck und betreibt das Geschäft des Aggressors Russland und möchte nicht in einem Land leben, dass sich verteidigen kann. Dann klingt der Ruf nach und die Aufklärung über Verteidigungsmöglichkeiten freilich wie Kriegshetze, denn in diesem Szenario möchte man Europa an Putin ohne Krieg übergeben…

      • Ich halte die SPD ebenfalls für ein Sicherheitsrisiko (lange vor Neitzels Warnung). Mützenich hintertrieb jahrelang hinterfotzig die militärische Hilfe für die Ukraine, Stegner flog als beseeltes Friedenstäubchen durch Land und Lanz und traf sich zu „privatdiplomatischen“ Initiativen mit Putins Gesandten, Platzeck macht nunmehr hauptamtlich russische „Aussenpolitik“ und Miersch versucht die Verteidigung zu torpedieren (egal wie man zur Wehrpflucht steht). Wenn es jemand versuch Putin leicht zu machen, dann die SPD (neben den ohnehin kremlnahen AfD & BSW).

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