Bundeskanzler Olaf Scholz glaubt, dass Kremlchef Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine nicht gewinnen wird. Doch was, wenn auch die Ukraine nicht gewinnt? Ist dann Deutschland schuld?
Eine Einnahme der gesamten Ukraine durch Russland scheine heute weiter entfernt als noch zu Beginn des Krieges, sagte Scholz auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Putin habe auch die Geschlossenheit und Stärke unterschätzt, mit der G7, Nato und EU auf seine Aggression reagiert hätten.
Da hat der Kanzler recht. Putin hat den Krieg – an den eigenen imperialen Ansprüchen gemessen – längst verloren. Er wollte die Ukraine überrollen und die Regierung in Kiew stürzen, ist jedoch schon beim Vormarsch auf die Hauptstadt gescheitert. Nun kämpft er gegen Gesichts- und Machtverlust an.
Allerdings kann auch die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen. Sie ist in der Defensive; bei der Schlacht um den Donbass könnte die ukrainische Armee zerrieben werden. Präsident Selenskyj klammert sich an die Hoffnung auf westliche Waffenlieferungen, ohne die Hilfe von außen müsste er kapitulieren.
Doch das will er nicht eingestehen. Statt die Lage nüchtern einzuschätzen und den Schaden zu begrenzen – etwa durch Verhandlungen – , nennt er unrealistische Kriegsziele. Russland soll nicht nur hinter die Linie vom 24. Februar zurückgedrängt werden, sondern die Ukraine komplett räumen, die Krim inklusive.
Das ist gefährlich – nicht nur für die Ukrainer, die einem langen und todbringenden Abnutzungskrieg ausgesetzt werden. Es ist auch gefährlich für die Alliierten im Westen – denn sie werden immer tiefer in den Krieg hineingezogen und sollen sogar noch für die wachsenden Probleme verantwortlich sein.
Selenskyj und seine medialen Hilfstruppen bezichtigen vor allem Deutschland, zu wenig und zu zögerlich Waffen zu liefern. Damit stricken sie an einer Dolchstoßlegende, derzufolge Scholz und die SPD Schuld sein sollen, wenn es am Ende schief geht und Selenskyj seine Ziele nicht erreicht.
Mit seiner Rede in Davos hat Scholz nun versucht, gegenzusteuern. „Auf Deutschland ist Verlass”, erklärte er. Einen “Diktatfrieden” werde die Bundesregierung nicht akzeptieren. Doch schon die ersten Reaktionen lassen erkennen, dass das nicht reicht. Die Kampagne gegen Deutschland geht weiter.
Scholz ist daran nicht ganz unschuldig – denn er tritt viel zu defensiv auf. Er müsste die Kritik aus Kiew offensiv zurückweisen und auf ein schnelles Ende des Krieges drängen. Zudem wäre es höchste Zeit, den deutschen, europäischen und amerikanischen Einsatz ins richtige Verhältis zu setzen.
„Ob die Ukraine überlebt, hängt nicht von ein paar Panzern aus Deutschland ab. Nur die USA, die gerade 40 Milliarden Dollar für Kiew locker gemacht haben, können die Ukraine mit dem Nötigen versorgen“, so Stefan Reinecke in der taz.
Seit dem Gipfel in Ramstein haben die USA den Krieg gegen Russland zu ihrem Krieg gemacht. Mit 40 Mrd. Dollar, rund 40 Alliierten und dem “Lend-Lease-Programm” organisieren sie die Bewaffung der Ukraine, mit Geheimdienst-Informationen steuern sie die großen Schlachten.
Auf einen Panzer made in Germany mehr oder weniger kommt es vor diesem Hintergrund schon längst nicht mehr an. Auf den militärischen Beitrag der meisten anderen EU-Länder übrigens auch nicht. Doch das mag in Berlin niemand aussprechen, auch bei der Nato in Brüssel ist es tabu…
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Ich teile diese Auffassung und sehe das genau so wie „Hamburger“. Dass Scholz zu defensiv auftritt, finde ich nicht. Da die deutsche Presse sich weithin als Aktivist der ukrainischen Regierung gebärdet, würde jeder lautere Ton das Bashing nur verstärken. Die Weigerung, nach Kiew zu pilgern, war ein deutliches Signal. Scholz tut gut daran, sich auf genau das zu konzentrieren, was er als Botschaft kontinuierlich sendet: Den Frieden in Deutschland schützen, Ukraine nach dem Maß des Verantwortbaren beistehen, die wirtschaftliche Selbstschädigung begrenzen, an internationalen Verbindungen ohne deutsche Sonderwege festhalten und auf Waffenstillstand und politische Lösungen drängen.