vonericbonse 05.11.2022

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Die EU hat Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva zu seiner Wiederwahl gratuliert. Man freue sich auf die Zusammenarbeit bei Themen wie Ernährungssicherheit, Handel oder Klimawandel, sagte Kommissionschefin von der Leyen. Die Ukraine erwähnte sie nicht – Lula gibt der EU eine Mitschuld am Krieg.

Dies geht aus einem Interview hervor, das das “Time”-Magazin im Mai mit Lula geführt hat. Hier einige Auszüge des Gesprächs zur Ukraine, der EU und Präsident Selenskyj (Hervorhebungen von mir)

Zur Mitschuld der USA und der EU am Ukraine-Krieg:

We politicians reap what we sow. If I sow fraternity, solidarity, harmony, I’ll reap good things. If I sow discord, I’ll reap quarrels. Putin shouldn’t have invaded Ukraine. But it’s not just Putin who is guilty. The U.S. and the E.U. are also guilty. What was the reason for the Ukraine invasion? NATO? Then the U.S. and Europe should have said: “Ukraine won’t join NATO.” That would have solved the problem.

The other issue was Ukraine joining the E.U. The Europeans could have said: “No, now is not the moment for Ukraine to join the E.U., we’ll wait.” They didn’t have to encourage the confrontation.

(But I think they did try to speak to Russia.) No, they didn’t. The conversations were very few. If you want peace, you have to have patience. They could have sat at a negotiating table for 10, 15, 20 days, a whole month, trying to find a solution. I think dialogue only works when it is taken seriously.

Zu Selenskyj:

And now, sometimes I sit and watch the President of Ukraine speaking on television, being applauded, getting a standing ovation by all the [European] parliamentarians. This guy is as responsible as Putin for the war. Because in the war, there’s not just one person guilty. (…)

I don’t know the President of Ukraine. But his behavior is a bit weird. It seems like he’s part of the spectacle. He is on television morning, noon, and night. He is in the U.K. parliament, the German parliament, the French parliament, the Italian parliament, as if he were waging a political campaign. He should be at the negotiating table.

He did want war. If he didn’t want war, he would have negotiated a little more. That’s it. I criticized Putin when I was in Mexico City [in March], saying that it was a mistake to invade. But I don’t think anyone is trying to help create peace. People are stimulating hate against Putin. That won’t solve things! We need to reach an agreement. But people are encouraging [the war].

Kritisch äußerte sich Lula übrigens auch zur EU-Politik gegenüber Venezuela. Es sei ein Fehler gewesen, den Oppositionspolitiker Guaido als Präsidenten anzuerkennen, denn er war nicht gewählt. “You don’t play with democracy”, so Lula. “Bureaucracy can’t substitute politics.”

Den Brüsseler Bürokraten müssen heute noch die Ohren klingeln…

Mehr zum Ukraine-Krieg hier

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https://blogs.taz.de/lostineurope/lula-gegen-den-mainstream/

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kommentare

  • „Der Westen, oder besser die Nato, will gar kein Ende des Krieges!“ Wie kommen Sie denn DA rauf? Das ist mir etwas zu schnell behauptet… !

  • Ich war froh als Lula wiedergewählt wurde. Er hat das Fachistenmonster Bolsonaro gebremst. Seine Sichtweise zum Ukraine-Krieg muss ich ganz und gar bestätigen. Der Westen, oder besser die Nato, will gar kein Ende des Krieges! Unsere Mainstream-Medien sind so unglaublich stark von Lobby-Interessen durchseucht, dass es einem schlecht wird. Alleine die Flüchtlingszahlen der Ukrainer sagen viel aus: die Mehrheit flüchtet nach Russland. Hat davon schon in den grossen Medien gehört? Was die melden, sind die „armen“ Ukrainer, die alle zu uns wollen!

    • Nun, ich, der ich zu der Hälfte in unserem Land gehöre, die niemals Bolsonazi wählen würde, war nicht froh, als Lula wiedergewählt wurde. Aber erleichtert. Dass es nicht zu weiteren vier Jahren exekutivem Hass- und Zerstörungswerk kommen werde.
      Das ich nicht froh war und bin, hat zuallererst mit unserer internen Situation zu tun: Lula wird entweder mit der althergebrachten (korrupten) Rechten Pakte schliessen müssen, oder mit den noch mehr ermächtigten Bolsonazis selbst. Denn diese beiden Gruppen dominieren fortan die beiden Häuser unseres Kongresses. Was da – für die Umwelt, für Indigene, für sozial ohnehin schon Abgehängte, für genuine Bildung statt evangelikaler Idiotisierung, etc. – rauskommen wird, lässt (nicht nur) mich fürchten. Und das abgesehen davon, dass mit allen Kräften versucht werden wird (und bereits jetzt a priori wird!), diese Regierung Lula 3 zum frühzeitigen Scheitern zu bringen.
      Des weiteren nicht froh sein kann ich mit Lula 3 und seiner „Arbeiter“-„Partei“ (nur in Anführungszeichen möglich), da sie es seit Lula 1 ihren rechten Vorgängermachtplatzhirschen gleich-, wenn nicht noch schlimmer gemacht haben. Was staatliche Korruption betrifft.
      So. Das zum „Frohsein“ bzgl. des Internen.
      Was nun Lula’s (und so vieler unserer Beton“linken“ auf Abya Yala) „Sicht“ auf Putin-Russland, Maduro-Venezuela, Ortega-Nicaragua (…) betrifft, kann ich freilich nur mehr den resigniert Kopf schütteln.

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