vonericbonse 28.11.2021

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Erst Belarus, dann die Ukraine? Genährt von den USA, wächst in EU und Nato die Sorge, dass Russland eine groß angelegte Militär-Offensive vorbereite. Die Flüchtlingskrise zwischen Belarus und Polen sei nur ein Ablenkungsmanöver, heißt es in Brüssel.

Während sich der Westen auf Belarus konzentriere, plane Kremlchef Putin einen Einmarsch in der Ukraine, behaupten US-Militärs. Angeblich soll Russland 100.000 Soldaten an der Grenze zusammen gezogen haben. Das bereite “echte Sorge”, so die Amerikaner.

Was ist da dran? Deutschland und die Ukraine wiegeln ab. In Berlin sieht man keine akute Kriegsgefahr. Experten äußern sogar ein gewisses Verständnis für Putin: Den Kremlchef machten die bilateralen Manöver der USA mit der Ukraine nervös.

Auch in Kiew geht man nicht von einem unmittelbar bevorstehenden Angriff aus. Die russische Militärführung bediene sich der Methode eines “hybriden Kriegs”, in dem der Gegner durch die “Drohung einer militärischen Invasion”manipuliert werde.

Eine “hybride Taktik” mit “Fake News” wirft aber auch Russland dem Westen vor. Washington übermittle seinen Verbündeten “absolut falsche Informationen” über die russischen Truppenbewegungen an der Grenze zur Ukraine, behauptet der Auslandsgeheimdienst SWR.

Der Kreml erklärte, der Westen führe eine “Informationskampagne” mit dem Ziel, die Spannungen zu verschärfen. “Bewegungen russischer Truppen innerhalb unseres Territoriums stellen für niemanden eine Bedrohung dar und sollten niemanden beunruhigen”, sagte Kreml-Sprecher Peskow.

Klar ist, dass Russland das Recht hat, die Truppen innerhalb seiner Grenzen zu bewegen wie es will. Klar ist auch, dass die USA nicht anders reagieren würden, wenn Russland direkt an seiner Grenze große Manöver abhalten würde.

In der Kuba-Krise 1962 haben die Amerikaner nicht gezögert, mit einem Atomkrieg zu drohen und eine Seeblockade zu verhängen. Doch die Ukraine und das Schwarze Meer liegen noch näher an Russland als Kuba an den USA.

Klar scheint auch, dass die USA, aber auch Polen keine Anstalten machen, die Krise zu entschärfen. Aus Warschau kommen sogar immer neue Drohgebärden – selbst der Abzug vieler Flüchtlinge von der Grenze hat die Lage nicht beruhigt.

Sorgen bereitet mir auch die EU. Sie übernimmt mehr und mehr die kriegerische Rhetorik Polens und der USA – und sie behandelt die Ukraine, als sei sie bereits Mitglied der EU und der Nato. Frankreich will das Land sogar militärisch verteidigen.

Damit deutet sich eine weitere Änderung der EU-Doktrin an. Nachdem wegen Belarus der Bau von Mauern und das Push-Back von Flüchtlingen hoffähig geworden ist, weiten die EUropäer nun auch noch ihre Garantien für Nicht-EU-Länder aus.

Gleichzeitig bröckelt die Unterstützung für das Minsker Abkommen, das der Ukraine den Frieden bringen sollte. Kurz: Die EU spricht an der neuen “Ostfront” die “Sprache der Macht”. Ich bin mir nicht sicher, dass das mehr Sicherheit bringt…

Mehr zur Krise um Belarus hier

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https://blogs.taz.de/lostineurope/noch-ein-hybrider-krieg/

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