vonericbonse 02.09.2016

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Braucht Europa eine starke deutsche Hand? Diese Frage stellte mir die Redaktion von Funkhaus Europa (WDR) nach dem EU-Trip von Kanzlerin Merkel. Meine Antwort lautet Nein, danke – hier zehn Gründe. 

Die deutsche Geschichte: Der 1. und 2. Weltkrieg und die Balkankriege haben gezeigt, wohin deutsche “Führung” führen kann. Die meisten Deutschen wollen daher davon auch nichts wissen.

Die europäische Idee: Sie ist aus der Kriegserfahrung geboren – und zielte anfangs darauf ab, Deutschland klein zu halten. Wir wären doch verrückt, heute das genaue Gegenteil daraus zu machen!

Die europäischen Regeln: Sie sehen gleiche Rechte für alle (noch) 28 EU-Staaten vor, keine deutsche Extrawurst. Die Geschäfte führt die EU-Kommission in Brüssel, nicht Berlin…

Niemand hat uns beauftragt, Merkel hat kein Mandat: Es gibt keinen EU-Beschluss, Deutschland die Führung anzuvertrauen. Merkel ist dafür auch nicht gewählt worden.

Die Deutschen wollen nicht führen – und zahlen. Eine echte deutsche Führung bringt Verantwortung und Kosten mit sich. Beides lehnen viele Deutsche ab; sie wollen lieber von der EU profitieren…

Merkel hat keine Vision, oder die falsche. Bei ihrem EU-Trip hat es sich wieder gezeigt: Merkel lässt jede Perspektive für das Brexit-EUropa vermissen, sie möchte nur den Status Quo erhalten.

Deutschland ist nicht unfehlbar. Ihre Fans tun immer so, als mache Merkel alles richtig. Dabei macht sie vieles falsch, in der Flüchtlingspolitik hat sie zuletzt selbst Fehler eingeräumt

Frankreich, Italien und Polen sind auch noch da. Deutschland ist nicht stark genug, um zu “führen”. Frankreich und Italien bringen zusammen mehr Gewicht auf die Waage, Polen will auch mitreden.

Die Briten haben es nicht gewollt: Der Brexit ist auch eine Antwort auf deutsche Alleingänge. Ex-Premier Cameron hat das “No” unter anderem auf Merkels Flüchtlingspolitik zurückgeführt…

Europa ist nicht Amerika. “Leadership”-Ideen kommen oft aus Washington. Deutschland soll den Juniorpartner bei der Führung Europas geben. Doch das wollen nicht mal die Deutschen – siehe 1!

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https://blogs.taz.de/lostineurope/starke-deutsche-hand-nein-danke/

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kommentare

  • 1. Die deutsche Geschichte besteht bei weitem nicht nur aus 1. und 2. Weltkrieg. Ausserdem sind beide Weltkriege auch in einem gesamtpolitischen Umfeld zu sehen. War nix

    2. „Deutschland klein halten?“ Glaubt denn jemand ernsthaft, ein vereintes Europa, von dem wir im Moment weiter weg sind als jemals zuvor könnte das bewerkstelligen. Allein schon die Formulierung ‚klein halten‘ strahlt hinterfotzigen Faschismus aus. War wohl auch nix.

    3. Auf der momentanen Basis der EU gibts keine Extrawurst, klar. Aber dazu ist Politik ja da um die Regeln anzupassen, wenn notwendig. Der gegenwärtige Zustand der EU (siehe 2.) schreibt ein intensives Nachdenken über Europa sogar vor. Niemand in Europa mag die zentrale abgehobene Verwaltungswut der Brüsseler Bürokraten. Der richtige Mix aus Zentralismus und Föderalismus machts. Leider haben wir den momentan noch nicht. Ebenfalls nix

    4. Mandate werden erteilt oder entzogen. Das kann sich ändern und sollte den Bedürnissen entsprechend gehandhabt werden. Wenn die Europäer sich einig sind, dass Deutschland eine stärkere Führungsrolle in Europa wahrnehmen soll, dann ist das absolut o.k.. Die derzeitige wirtschaftliche Stärke Deutschlands und der sich daraus ergebende Bewegungsspielraum hat die, hier so vermaledeite, Führungsrolle automatsich, quasi ‚by design‘, zur Folge. Jede andere Konstellation wäre ja auch unlogisch. Wieder nix.

    5. Die Deutschen sind, aufgrund der geschichtlichen Erfahrung (siehe oben), nicht scharf auf eine Führungsrolle. Zahlen tun sie trotzdem, weil die EU ja nach BSP finanziert wird. Umgedreht wird ein Schuh ‚draus, wenn wir schon blechen (grösster Nettozahler), dann wollen wir auch eine bischen mitreden wo die Kohle verbraten wird. Die momentan gepflegte deutsche Zurückhaltung gäbe jedem anderen Mitgliedsland die Möglichkeit, praktisch unangefochten, die Führung zu übernehmen. Wollen allein aber reicht nicht, man muss es auch können. Und da haperts dann doch gewaltig. Genausowenig nix

    6. Merkel hat einen Schwachpunkt wenn’s um die Formulierung ihrer Vorstellungen, besonders im Bezug auf einen konkreten Sachverhalt, geht. Zustimmung hier. Allerdings scheint sie, zumindest wenn man ihre Kanzlerjahre betrachtet, einen wohlgegründeten inneren Kompass zu haben, der ihr Wertesystem darstellt und an dem sie ihre Tagespolitik orientiert. Zu schwach, also auch nix.

    7. Deutschland ist nicht unfehlbar. Zustimmung. Aber wer ohne Schuld ist werfe den ersten Stein. Solche Aussagen muss man in Relation zu den Alternative sehen. Und da sieht’s eher schlecht aus. Quasi nix.

    8. Klar ist Frankreich und Italien und Polen auch noch da. Es wird zwar nicht gesagt was gewogen wird, aber sie bringen mehr auf die Waage. Mehr Spaghetti? oder mehr Rotwein? Polen leidet sowieso an einer paranoiden Usurpationsphobie. Nochmals, wer führen will der darf, bitte schön. Führung in der EU heisst aber immer Führung aller. Gerade Frankreich und Polen haben sich bisher eher dadurch ausgezeichnet Führungsrollen zugunsten der eigenen Nation zu missbrauchen. nix zum Quadrat.

    9. Die Briten haben den Brexit nicht gewollt, Geht’s noch? hat sich den da einer verzählt. Bei korrekter Analyse der UK Mitgliedschaft muss man sich allerdings gestehen, die waren noch nie so richtig dabei. Das Gezeter um die Beiträge, der Sonderrabatt, Euro ja/nein, Sonderregeln für die city. ’shit, or get off the pot‘ eigentlich sind die meisten Europäer froh dass die vom Topf runter sind. das war nix

    10. Das Leadership Gedöhns in den USA dient doch nur zum Warmhalten der Tellerwäscher Story. Deutschland funktioniert, darüber kann man froh sein, ganz anders. Weniger Marketing, mehr Inhalt. Deutsche Leadership in Europa, die preusischen Extremitäten durch die Nachbarn etwas gestutzt, ich kann mir das gut vorstellen.

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