von 01.04.2011

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Was die Anzeigenabteilung bei meiner verdeckten Recherche sagt

“Das wäre durchaus denkbar”, sagt der Mitarbeiter. Ich habe ihm gerade von meinen angeblichen Kunden erzählt: “Einige größere Versicherungen haben sich zusammengetan, um einen Marketingpool zu bilden, weil sie sagen, das Thema Versicherungen kommt insgesamt zu wenig vor.” Die Versicherungen würden dafür bezahlen, dass die Märkische Allgemeine Zeitung ein Jahr lang monatlich über das Thema Versicherungen berichtet. Dabei müsse sie gar nicht die Namen einzelner Anbieter nennen, denn unsere Kunden würden zusammengenommen ohnehin den größten Teil des Marktes abbilden: “Es geht darum, dass man mehr über ein Thema berichtet, über das sonst in Zeitungen so nicht berichtet würde, und Aufmerksamkeit dafür zu schaffen.”

Der Mitarbeiter erklärt, für eine halbe Seite mit Anzeigen könnten wir eine weitere halbe Seite mit Artikeln bekommen. Die Seite wird, wie von mir gewünscht, nicht als “Anzeige” gekennzeichnet, sondern als “Sonderveröffentlichung”. Für das Schreiben und Recherchieren der Artikel sei dann die Redaktion zuständig, sagt der Mitarbeiter. Ich verlange: “Die Grundmelodie soll natürlich sein, das serviceorientiert vorzustellen: Für wen lohnt sich das, für wen lohnt sich das nicht?” Wenn die Redaktion einen Versicherungsskandal aufdecken wolle, dann dürfe sie das nicht auf der Seite mit den Versicherungsanzeigen machen, fordere ich. “Keine Skandale”, verspricht der Mitarbeiter.

Ich habe auch gleich einen Themenplan für die zwölf Seiten mitgebracht:

Themenseiten „Versicherungsschutz“

Hintergrund: Versicherungen eilt ein schlechter Ruf voraus. Für die meisten Menschen sind sie ein notwendiges Übel. Die schönen Momente des Lebens sollen nicht mit beunruhigenden Gedanken an den „Fall der Fälle“ getrübt werden. Dabei sind Versicherungen besser als ihr Ruf: Statt Risiken und Probleme bieten sie Sicherheit und Schutz. So lässt sich das Leben ganz unbeschwert genießen.

Die Themenseiten „Versicherungsschutz“ sollen den Leser für die Notwendigkeit einer ausreichenden Absicherung sensibilisieren und ihn verschiedene Versicherungsmodelle vorstellen. Ziel ist es, den Leser über Vorzüge, Zweck, Zusatzoptionen und Kosten der jeweiligen Versicherung aufzuklären. Gleichzeitig wird darüber informiert, welche Versicherung für welche Gruppen sinnvoll ist. Versicherungsvergleiche runden das Angebot ab. Über den Zeitraum von einem Jahr stellt die Zeitung monatlich eine in der öffentlichen Wahrnehmung unzureichend beachtete Versicherung vor. Der Leser baut Vorurteile ab.

Im weiteren Verlauf geht es in dem Themenplan (PDF) um die konkreten Inhalte der insgesamt zwölf Seiten. Eine Seite hätte ich zum Beispiel gerne über Handyversicherungen, eine Seite über Musikinstrumentenversicherungen und eine über Hochzeitsversicherungen. Der Mitarbeiter sagt zu, das mit der Redaktion zu besprechen.

Eine Weile später mailt mit der Mitarbeiter: “Anbei erhalten Sie die Themenvorschläge unserer Redaktion mit der Bitte um Rückruf.” In dem neuen Themenplan sind Angebote wie die Handyversicherung rausgeflogen, dafür würde die Redaktion über Angebote wie eine Krankenzusatzversicherung berichten. Ich rufe an, er sagt: Die Redaktion halte meinen Themenplan für nicht seriös und habe ihn umgeschrieben. Aber es bleibe bei den zwölf Seiten in einem Jahr, wenn die Versicherungen ihre bezahlten Anzeigen schalten.

Was die Chefredaktion auf meine offizielle Anfrage sagt

Es folgt mein telefonisches Interview mit Klaus Rost, Chefredakteur der Märkischen Allgemeinen Zeitung.

taz: Versuchen Unternehmen, in Verbindung mit bezahlten Anzeigen auf die Artikel Einfluss zu nehmen?

Rost: Die Trennung von Journalismus und Anzeigengeschäft wird hier im Hause noch fein säuberlich auseinandergehalten. Solche Versuche würden schon unsere Mitarbeiter in der Anzeigenabteilung ablehnen.

taz: Aber auch in Ihrer Zeitung gibt es Sonderveröffentlichungen zu Themen wie “Urlaubsziele 2010” oder “Märkische Bildungsmesse”. Dort erscheinen Artikel zu diesen Themen und daneben die Anzeigen zum gleichen Thema.

Rost: Diese Themen planen wir zu Beginn des Jahres. Da entscheiden wir zum Beispiel: Wir machen im Herbst eine Seite ‘Motor und Verkehr’ und schreiben dann darüber, wie man das Auto für den Winter ausrüstet. Unternehmen können dann ihre Anzeigen gezielt in diesem Umfeld schalten, wenn sie das wünschen. Entscheidend ist: Die Themen werden von uns allein danach ausgewählt, was interessant für unsere Leser ist. Die geplanten Seiten erscheinen auch dann, wenn keine Anzeige
dazu hereinkommt.

taz: Und wenn zum Beispiel ein paar Versicherungsunternehmen auf Sie zukommen und verlangen, dass Ihre Zeitung eine Sonderveröffentlichung über Versicherungen macht? Weil die Unternehmen nur dann ihre Anzeigen schalten?

Rost: Das würden wir nicht machen.

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