vonJakob Hein 26.05.2011

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Benedikt K. (49), Redakteur war der Verzweiflung nahe. Da fand in Frankreich ein G8-Gipfel statt zu einer Zeit, wo gerade die Arbeiter in verschiedenen Ländern die Roulette-Rechnungen der Banker bezahlen müssen, die so agierten, als habe die Krise nie stattgefunden, was ja zumindest für sie persönlich eine mehr als treffende Einschätzung ist, zudem würde der Gipfel in einer der führenden Atomnationen der Welt stattfinden, wo doch offensichtlich geworden war, dass Atomenergie eben nur theoretisch, aber eben nicht praktisch in einem real existierenden Kapitalismus sicher ist, abgesehen davon, dass gerade das Klüngelsystem der französischen Ämtervergabe eine peinliche Delle erlitten hatte und das 50-jährige Jubiläum von “Françafrique” der korruptionsverseuchten Scheinfreiheit der ehemaligen Kolonien ins Haus stand. Und alles was ihm seine Karikaturisten an Vorschlägen lieferten, war nichts. Da K. seinen Sinn für Humor immer noch nicht verloren hatte, entschied er sich schließlich für den sinnlosesten der eingereichten Entwürfe, eine mäßig gelungene Karikatur des französischen Präsidenten, die man für 5 Euro auch auf jeder Strandpromenade bekommen würde, der neben einer schwangeren Frau läuft, die größer ist als er. Mit dem krassen Kontrast zwischen vollkommenen Bedeutungslosigkeit der Zeichnung direkt unter der Überschrift “Meinung” hoffte K., das Gewissen der deutschen Karikaturisten wachrütteln zu können.

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https://blogs.taz.de/nachrichten_vom_niedergang_der_politischen_karikatur_i/

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