vonHans Cousto 13.11.2010

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Der am 4. November 2010 in diesem Blog veröffentlichte Artikel »Pharmalobby kämpft für Verbot von Heilpflanzen« mit dem Hinweis zur Unterzeichnung der Petition »Arzneimittelwesen – Keine Umsetzung des EU-Verkaufsverbotes für Heilpflanzen« hat heftige Reaktionen hervorgerufen. Jost Maurin bezeichnete die Petition am 11. November 2010 in der TAZ als »Dubiose Aktion für Heilkräuter«. In dem Artikel heißt es:

»Doch nicht nur das Bundesgesundheitsministerium, sondern auch die größten Verteidiger der Naturheilmittel, Hersteller und Heilpraktiker, halten die Petition für unbegründet. Einer der größten deutschen Produzenten, Salus, bezeichnet sie sogar als „groben Unfug“.

Forschungsleiter Frank Poetsch sagt, die kritisierte EU-Richtlinie über die Zulassung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel sei schon 2005 ins deutsche Arzneimittelgesetz integriert worden. […]  Poetsch vermutet, dass manche kleine Firmen den Aufwand für eine neue Zulassung scheuen. „Die Kosten liegen regelmäßig im sechsstelligen Eurobereich.“ Deshalb könnten sie einige Präparate vom Markt nehmen. «

Und weiter heißt es im Artikel:

»Arzneimittelfachmann Arne Krüger vom Fachverband Deutscher Heilpraktiker sagt: „Es wird keine Pflanze verboten.“ Schon deshalb, weil die neuen Zulassungsregeln sich immer auf Fertigarzneiprodukte bezögen, also Mittel, die meist industriell hergestellt würden. Biobauern können also weiter etwa Kräuter wie Pfefferminze oder Thymian verkaufen, ohne dafür eine Zulassung zu haben.«

Brandenburg: Verkaufsverbot bereits 2005

Es ist richtig, dass die Zulassung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel schon 2005 ins deutsche Arzneimittelgesetz integriert wurden. Es ist jedoch auch erwiesen, dass Biobauern diverse Kräuter nicht mehr verkaufen dürfen. Im Herbst 2005 wurde im Land Brandenburg heftig darüber debatiert, welche Kräuter von Bauern auf Märkten verkauft werden dürfen und welche nicht. Seit November 2005 beschränkt sich das Verkaufsverbot auf elf Kräuter: Johanniskraut, Echte Goldrute, Hirtentäschel, Malvenblüte, Beinwellkraut, Löwenzahnwurzeln, Birkenblätter, Weißdornbeeren, Spitzwegerich, Ackerschachtelhalm und Frauenmantelkraut. Hingegen dürfen Tees aus Schafgarbe, Kamille, Brennnesseln oder Lindenblüten von Bauern produziert und außerhalb von Apotheken vertrieben werden. Weißdornbeeren sollen gegen Durchfall, Frauenmantelkraut und Beinwell bei Menstruationsbeschwerden helfen. Malvenblüten gelten als entzündungshemmend.

Marina Mai aus belzig berichtete am 8. April 2006 in der TAZ unter dem Titel »Kräuter: Arznei oder Lebensmittel?«, dass in Brandenburg Bauern keine Kräutertees mehr produzieren und verkaufen dürfen. Begründung: Nach dem Arzneimittelgesetz bräuchten sie dazu eine pharmazeutische Ausbildung. In dem Artikel heißt es:

»Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker, heißt es. Weil er weder Arzt noch Apotheker ist, darf Landwirt Thomas Beutler keine Tees mehr produzieren und verkaufen, die Risiken und Nebenwirkungen haben könnten. Insgesamt elf Kräuter wie Birkenblätter, Malvenblüten, Frauenmantelkraut und Hirtentäschel hat das Brandenburgische Gesundheitsministerium als Arzneimittel statt als Lebensmittel eingestuft. Bauern ist damit die Produktion untersagt. […] Bisher hatte Beutler, der im brandenburgischen Belzig lebt, die Wiesen und Wälder der dünn besiedelten Fläming-Region nach diesen Kräutern abgesucht. Die Tees bot er als regionaltypische Produkte in Touristenshops an. Nicht als Einziger. Auch dem Inhaber eines großen Fruchthofs ist beispielsweise untersagt worden, Zitronenmelisse an Fruchtgelees zu mischen. Beutler wehrt sich juristisch gegen das Verbot. Das Ministerium hat gegen ihn Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz erstattet.«

Brandenburgs Gesundheitsstaatssekretär Winfrid Alber (SPD) verteidigte das Kräuterverbot. »Johanniskraut, Weißdornbeeren und die anderen anstehenden Kräuter fallen unter das Arzneimittelgesetz, weil sie bundesweit eine Standardzulassung als Arzneimittel haben«, hatte er im Februar erklärt. Behörden hätten deshalb »keinerlei Ermessensspielraum, einen Vertrieb als Lebensmittel zu gestatten«.

In der Diskussion um verbotene Kräutertees in Brandenburg stützte Gesundheitsministerin Ziegler (SPD) das rigide Vorgehen des Gesundheitsamtes, berichtete die TAZ am 2. Februar 2006 unter dem Titel »Kräuterbauern sammeln Unterstützung«. Damit war Landwirten in Brandenburg das Sammeln und Verkaufen diverser Kräuter untersagt. Sie hätten keine Sachkunde zum Verkauf von Arzneimitteln, hieß es aus dem Amt. Wer gegen das Verbot verstieß, bekam eine Strafanzeige.

Fenchel und Pfefferminze

Keine Angst: Fenchel wird es weiterhin im Gemüseregal der Supermärkte geben und auch Pfefferminztee wird weiter erhältlich sein. Doch getrockneter bitterer Fenchel und dessen zerkleinerte respektive zerstoßene Frucht als auch getrockneter süßer Fenchel und dessen zerkleinerte oder zerstoßene oder pulverisierte Frucht gelten gemäß Entscheidung der Europäischen Kommission vom 21. November 2008 (2008/911/EG) als Arzneimittel. Getrockneter Fenchel kann bis jetzt im Handel als Fenchel-Gewürz gekauft werden. Gestützt auf die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, insbesondere auf Artikel 16 Buchstabe f, und gestützt auf die Gutachten der Europäischen Arzneimittel-Agentur, die am 7. September 2007 vom Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel abgegeben wurden, kann der freie Verkauf von getrocknetem Fenchel in Zukunft außerhalb des Arzneimittelhandels verboten werden.

Pfefferminztee wird es bis auf weiteres im feien Handel geben, Pfefferminzöl, das durch Dampfdestillation aus den frischen oberirdischen Teilen der blühenden Pflanze gewonnene ätherische Öl, wird es in Zukunft jedoch nur noch im Arzneimittelhandel geben dürfen. Gemäß Beschluss der Europäischen Kommission vom 25. März 2010 zur Änderung der Entscheidung 2008/911/EG zur Erstellung einer Liste pflanzlicher Stoffe, pflanzlicher Zubereitungen und Kombinationen davon zur Verwendung in traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln (2010/180/EU) und gestützt auf das Gutachten der Europäischen Arzneimittel-Agentur, das am 6. November 2008 vom Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel abgegeben wurde, ist Pfefferminzöl als Arzneimittel deklariert worden. Ob auf Grund dieser Klassifizierung Pfefferminzöl von Herstellern, die keine arzneimittelrechtliche Zulassung haben, in Zukunft noch als Duftstoff (z.B. für die Aromatherapie) verkauft werden darf, ist äußerst fraglich.

Um Arzneimittel produzieren zu dürfen, benötigt ein Betrieb eine Zulassung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und eine spezielle Herstellungserlaubnis vom Land. Dazu sind nach Auffassung der Behörden pharmazeutisch ausgebildetes Personal und spezielle räumliche Voraussetzungen erforderlich. Die Kosten für eine Zulassung und für die Herstellungserlaubnis liegen regelmäßig im sechsstelligen Eurobereich. Diese Investitionen sind für bäuerliche Kleinbetriebe schlicht nicht machbar. Damit verlagert sich deren Produktionsanteil auf wenige große Hersteller. Kein Wunder also, dass einer der größten deutschen Produzenten, Salus, die Petition, die gegen diese Konzentration der Produktion auf wenige Betriebe gerichtet ist,  als »groben Unfug« bezeichnet.

EU-Petition: Stopp der Richtlinie bezüglich traditioneller Kräuter-Heilmittel

Die Petition in Deutschland »Arzneimittelwesen – Keine Umsetzung des EU-Verkaufsverbotes für Heilpflanzen vom 20.09.2010« wurde von 121.819 Personen gezeichnet. Dies zeigt, dass bei vielen Menschen ein Unbehagen in dieser Angelegenheit vorhanden ist. Besonders die Verkaufsverbote von Kräutern auf Märkten in Brandenburg sind so manchem noch in Erinnerung geblieben und haben diesem Unbehagen sicherlich Vorschub geleistet. Doch nicht nur in Deutschland ist dieses Unbehagen vorhanden, sondern auch auf europäischer Ebene. So gibt es eine entsprechende europäische Petition »Stop the Traditional Herbal Medicinal Products Directive«, die von 1.000.000 Personen mit Wohnsitz in der Eu unterzeichnet werden muss, damit sie erfolgreich sein kann.

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