vonploetzeblog 19.12.2018

Plötze und Unerwartet

Eine Plattform für aktuelle Themen der Politik mit kurzen Unterbrechungen für skurriles und alltägliches aus Berlin.

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23:30 Uhr … Samstagabend in Berlin … U6 Richtung Alt-Tegel … derzeitige Haltestelle: U Reinickendorfer Straße.

Hier und da ein Pärchen, das erschöpft – Arm in Arm – in die Sitze eingesackt ist. Dort zwei Freunde die mit einem Döner in der Hand über die Uni reden, und wer im Seminar letzten Donnerstag schon wieder eine nervige Frage zu viel gestellt hat. (Dem Geruch nach zu urteilen, haben die beiden – oder mindestens einer von ihnen – sich übrigens den Döner mit extra Zwiebeln bestellt) Drüben ein älterer Herr mit Kopfhörern auf seinem Rollator. …Was er wohl hört?

Dem Mann, der mir schräg gegenübersitzt, entwischt die Bierflasche, die er auf dem Boden zwischen seinen Füßen abgestellt hatte. Emotionslos hebt er sie auf und platziert sie abermals zwischen seinen etwas in die Jahre gekommenen dunkelblauen Anzugschuhen.

Je nach Bewegung der U-Bahn – ob sie nun Gas gibt, bremst oder eine leichte Kurve fährt – verteilt sich das Heineken in fließenden Bewegungen über den Boden der Bahn. Die noch fehlende Note zum Zwiebeldöner.

Ich selbst bin müde und hänge mehr im Sitz, als dass ich mich aufrecht halten kann. Den Schal habe ich mir so gebunden, dass selbst meine Nase bedeckt ist, um meiner offensichtlichen Müdigkeit noch mehr Ausdruck zu verleihen.

Ein junger Mann, der sich aufgrund einer Verletzung am Fuß kaum fortbewegen kann und stark hinkt, bittet die Fahrgäste um eine Spende. Die Hand ausgestreckt, redet er zu sich selbst. Ich verstehe nichts von dem, was er sagt. Mit jedem Schritt quält er sich ein paar Zentimeter weiter. Sein rechter über den Boden schleifender Schuh verteilt das Bier gleichmäßig auf dem Waggonboden.

Ich beobachte weiter den Mann mit den abgenutzten Anzugschuhen. Das Mikrofon seiner Kopfhörer zwischen die Zähne geklemmt, redet er mit der Person am anderen Ende der Leitung und kramt dabei in seiner Jackentasche herum.

… Ist das etwa … eine Gurke? Der Mann holt ein nicht sofort identifizierbares Gemüse aus seiner Tasche, reißt ein Stück ab – offensichtlich der Part des Gemüses, dass er nicht mag- und schmeißt dieses Stück kurzerhand in die Ecke des Sitzes. Hmm – der Sitz sagt Danke. Aus der Halbschrägen meiner unsportlichen Lage und über die Schalkante blickend versuche ich amüsiert, dieses Gemüse zu identifizieren. IST das jetzt eine Gurke?

Ich beobachte wie der Mann zwei Mal herzhaft in seine – wie ich mittlerweile erkannt habe – rohe Aubergine beißt – sie dann anguckt – sie dreht – um sie dann … wieder in die Jackentasche zu stecken.

Logisch: Möhren, Gurken oder Äpfel als Snack sind mittlerweile zu sehr Mainstream. Das können doch alle. Ab jetzt werde ich immer eine Zucchini oder ein Stück Kürbis in meine Handtasche einpacken – für den kleinen Hunger zwischendurch.

Grüße aus Berlin!

 

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