vonChristian Ihle & Horst Motor 12.01.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Nachdem sich die Presse in den letzten Wochen scheinbar ausschließlich mit Dani Levys Versuch einer Komödie über Hitler, „Mein Führer“, beschäftigte, kommt das Popblog natürlich nicht umhin, sich selbst eine Meinung zu bilden.

Es ist ein gänzliches Rätsel, warum das Feuilleton nach Ansicht dieses Films diskutierte, ob man denn „über Hitler lachen“ dürfe, denn „Mein Führer“ stellt diese Frage bestenfalls hypothetisch.

Das schon nicht sonderlich scharf geschriebenes Drehbuch wird von Levy mit einem derart schlechten Timing umgesetzt, dass er wirklich aufhören sollte, Komödien jeglicher Art zu drehen. Helge Schneider ist dabei sicherlich nicht das Problem, da er tatsächlich aus der Helge-Rolle und in die Hitler-Rolle schlüpft und dem ganzen einen verdient absurden, surrealen Anstrich verpasst. Aber wenn das Buch darüber hinaus keinerlei Dialogwitz bereithält, was soll er auch machen?

Zusätzlich belastet den Film die schrecklich mißratene Mischung aus platter Komik mit einem einrahmendem „Melodram“, die in keiner Sekunde funktioniert. Lediglich die Figuren Goebbels (Sylvester Groth sticht aus dem Film heraus und hat zumindest einige gute Sätze) und Speer (die homoerotische Komponente) lassen tatsächlich für ein paar wenige Szenen erahnen, was man denn vielleicht aus dieser Idee hätte machen können.

Im nachhinein geben vor allem die Schneider Interviews und dessen Distanzieren von „Mein Führer“ Sinn und es ist durchaus vorstellbar, dass – wie ursprünglich geplant – mit Hitler als Hauptdarsteller (und eben nicht Ulrich Mühe als Grünbaum) die Komödie selbst leidlich besser funktionierte – aber auch dann hätte es ihm an Schärfe, Intelligenz und Witz gefehlt.

Anders formuliert: jede einhundertmal gesehene Harald Schmidt Hitlerparodie hat in 3 Minuten mehr Lacher als „Mein Führer“ in eineinhalb Stunden. Vergeudetet Zeit, verschwendetes Zelluloid.

Christian Ihle

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https://blogs.taz.de/popblog/2007/01/12/mein-fuehrer/

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kommentare

  • Deutschland, Land voller Extreme, Extremisten und Exkremente. Huhu, Fred und Stercken, was wollen Sie sagen? Dass „die Joden“ anders sind? Wie anders? Anders als ich oder anders als sie beide? Borat jedenfalls, gespickt mit antisemitischem Humor plus Vorzeichenwechsel und Strick, kam in Tel Aviv jedenfalls spitze an. Es ist, soviel ist sicher, keine Frage der Kultur. Sondern eine der Reflektion. Und ja, die beherrscht auch die Popkultur. Jedenfalls wesentlich besser als die oben eingeforderte Kultur des Schweigens.

  • Pop-Grauen

    Dass wohlgemerkt der Historiker und Blackouter Kohl, aus dem infantilen Habitus „Ich war es nicht!“, die Erkenntnis erlangte und sich und uns durch die ,Gnade der späten Geburt‘ Absolution erteilte. Damit hatte uns Deutschen unser Bundeskanzler die Pop-Vergangenheitsbewältigung beschert. So ist es nun die folgerichtige Tat diesen Hitler-Film „Mein Führer“ gedreht zu haben.

    Das Stilmittel des Pop ist, die Oberfläche zur Aussage zu erheben, oder besser
    zu persiflieren. Damit soll sichtbar die Fragwürdigkeit der Oberfläche aufgezeigt werden, von dem Kern ganz zu schweigen.

    Es sollte ja die Bemühung der Aufklärung im 18. Jhdt. und der deutschen Nachkriegszeit sein, der wahren Wahrheit unter der Folie der Oberfläche nicht nur sichtbar, sondern auch mit Erkenntnisgewinn teilhaftig zu werden. Aber zuerst hat uns Kohl erklärt, dass seine Erkenntnis darin liegt: „Helmut war es nicht!“. (Dies erhellt natürlich, dass die heutigen Führungspersonen keine Verantwortung mehr übernehmen zu brauchen, denn sie haben – ja sogar nachweislich – persönlich nicht gehandelt.) Und nun möchten uns der Regisseur und sein Tross an Witzbolden die Oberfläche in Gestalt von Bild und Ton auf die Komik reduzieren, als bestünde die Wahrheit in der Projektion der Oberfläche und damit sei Geschichte zur Realität geworden.

    Den an dem Film beteiligten Figuren sei anzuraten, sich zur Filmvorführung in Israel einzufinden. Ich wüßte nur zu gerne, ob sich ein Helge Schneider dann lachend auf die Schenkel und seinen Sitznachbarn aufmunternd und Beifall heischend auf die Schultern klopft. Bei Herrn Levy müßte der Selbstversuch, mit der Realität in Kontakt zu treten, etwas modifiziert werden. Er könnte unter Sinti, Roma und weiteren Vertretern der Verfolgten und Geschundenen seinen Humor verteidigen und einen Begriff bekommen von der „Herrschaft über das Leiden“, welches sich die Juden angeeignet haben.

    Da ich nicht die Hoffnung hege, dass die Betreffenden sich der Erfahrung der leibhaftigen Realität stellen, und eingedenk dass die Zielgruppe für den Film schon in den Politikteilen der Medien ausreichend identifiziert wurde, wünsche ich diesen Personen viel Freude am Gewinn dieses Filmes.

    Ach übrigens, mir fällt da noch etwas ein: Im Herbst 2001 da war doch so eine Situation, bestimmt können dafür auch etliche dokumentarische Unterlagen herangezogen werden. Dort sprangen brennende Menschen aus brennenden Häusern, echt wie im Comic. Gewiss ließe sich doch etwas daraus machen Hr. Levy, oder? Alles, was wahr ist: Pop-Völkermord, Pop-Grauen usw.

    Denkbar ist natürlich, dass ich das Ende der Geschichte nicht mitbekommen habe, weil ich bisher ein anderes Verständnis davon hatte. Vielleicht meint der Begriff vom Ende der Geschichte, dass Geschichte deshalb endet, weil Geschichte keine Bedeutung und jegliche Verbindlichkeit verloren hat. So degenerieren wir alle zu Witzbolden und die Zukunft wird unbändig lustig.

  • soso, „uns“ ist fremd, was „die“ lustig finden. dann ist die welt ja noch (oder wieder?) in ordnung.

    sehr schöne idee übrigens: hitler als hauptdarsteller. da käme auch der beste parodist nicht ran.

  • Der Film ist zum lachen jeder merkt aber sofort das er von einem jüdischem Regisseur gemacht wurde. Diese Art von jüdischen Humor ist nicht jedermanns Sache und uns irgendwie fremd, aber trozdem lohnt sich dieser Film für diejenigen die das wissen.

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