Pathos is back, so er denn je weg war: gut, man konnte wohl kaum eine vielschichtige, akkurate Zeichnung der historischen Schlacht zwischen Sparta und Persien erwarten, wenn die Vorlage von Frank Miller („Sin City“) stammt und auf dem Regiestuhl Zach Snyder („Dawn Of The Dead“ Remake) sitzt. Dass man allerdings so over-the-top geht und gänzlich ironiefrei den Kollegen Pathos im Mannschaftsbus herankarrt, überrascht dann doch. „300“ erzählt die Geschichte von 300 Spartanern, die sich gegen die zahlenmäßig weit überlegene persische Armee stellen. Sie basiert auf einem Comicbuch von Frank Miller und geht visuell – wie schon Sin City – den ganzen Weg: selbstverständlich ist alles hier künstlich und übertrieben, aber angesichts der Vorlage nur zurecht. Dass mehr Köpfe rollen als auf der Trainerbank von Borussia Mönchengladbach und die animierten Blutfontänen munter vor sich hinspritzen ist auch nicht zu kritisieren, doch gegen „300“ ist „Gladiator“ eine subtile, differenzierte Charakterstudie.
Ein Kontrastprogramm liefert „Notes On A Scandal“ mit der Traumbesetzung Cate Blanchett und Judi Dench (für diese Rolle für den Oscar nominiert). Das scharfzüngige, bissige Drama um eine Lehrerin (Cate Blanchett), die eine Affäre mit ihrem 15jährigen Schüler hat und vom Schuldrachen (Judi Dench) aus Eigennutz erst beschützt, später erpresst wird, ist vor allem in der ersten Hälfte brillant geschrieben. Die von Dench aus dem Off vorgetragenen Einträge in ihr Tagebuch sind beißend, sarkastisch und überaus amüsant, die vereinsamte Frau, die zu allen Mitteln greift, um Liebe & Freundschaft zu gewinnen, hervorragend gespielt. Leider ist „Notes On A Scandal“ im letzten Drittel etwas zu platt, um wirklich durchgängig zu überzeugen, aber dennoch ist „Tagebuch eines Skandals“ (so der deutsche Titel) von allen starbesetzten Berlinale Filmen bisher der beste.
Christian Ihle
Weitere Berlinale-Berichte:
* Berlinale (1): Koreanische Schulmädchen, ein kanadischer Nervenzusammenbruch und deutsche Jagdhunde
* Berlinale (2): Dirty Harry, de Niro und der Mann mit den zwei Gesichtsausdrücken
* Berlinale (4): Skurriles aus Südkorea, Ironisches aus Frankreich und abgebissene Penisse in den USA