vonChristian Ihle & Horst Motor 01.04.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Es ist ein Rätsel, warum ausgerechnet The Rakes nun gar nicht vom überraschenden Post-Punk und –Britpop-Boom in Deutschland profitierten. Eddie Argos ziert den Rolling Stone, die Kaiser Chiefs gehen Top10 und Franz Ferdinand kennt in Österreich jedes Kind – aber The Rakes? Kein Mensch.

Das schlimme ist: auch mit Album Nummer Zwei wird das so bleiben, denn The Rakes lassen alle Singlehits in dieser Runde zu Hause, stellen den Punk in die Ecke und arbeiten weiter an ihrem ewigen Thema: der Scheißwelt, den 9-to-5-Jobs für 22 Grands und dem, was zwischen 5 und 9 bleibt: Alkohol, Drogen, Zigaretten und dann wieder in die Arbeit gequält.

Auf den Höhepunkten des Debütalbums Retreat („Walk home / Come down / Retreat / To Sleep / Wake up / Go out / Again / Repeat“) und Work Work Work / Pub Club Sleep („From all this stress that is constantly going on / I just drift along / with no focus or meaning / Lean back, stare up at the ceiling / I just drift along with no focus or meaning“) formulierte Alan Donohoe treffend wie kein zweiter diesen ganzen Mist, der da draußen vor sich geht. Passend, dass die Briten das zweite Album nun mit „The World was a mess but his hair was perfect“ eröffnen. The Rakes sind des Fight Clubs Edward Norton zum Brad Pitt von Franz Ferdinand. Die Wahrheit. Die schlaflose, traurige Wahrheit.

In die klassischen Rakes-Themen schleicht sich dieses Mal eine Paranoia, eine Beunruhigung ein, die am stärksten im besten Song des Albums, „Suspicious Eyes“, zu Tage tritt, der die Gedanken dreier sich beäugender U-Bahn-Fahrgäste nach den Londoner Terroranschlägen durch drei verschiedene Sänger ins Zwiegespräch treten lässt. Doch so sehr Donohoes Welt auch grau in grau ist, er Scheißjobs und die Rhetorik der Belanglosigkeit besingt, gibt es mit „We Danced Together“ auch unvermittelt den Ausbruch in eine bessere Welt, Eskapismus pur, der gerade ob seiner Verlorenheit im Grau des Rests so hell schimmert: „we didn’t give a shit about what they would say / and stayed up until the light turned our world grey / we caned our money like it was our last day / Two fingers up at those who won’t miss us when we pass away“.

Doch The Rakes werden auch mit Ten New Messages wieder die unbeachteten Büroarbeiter der britischen Indieszene sein, während die Anderen die feschen Feten feiern und Champagner statt Bier in der After-Work-Party trinken dürfen. Noch mehr schmerzt die Erkenntnis, dass den besten Chronisten des Kampfes Mensch gegen Arbeitswelt wieder keiner zuhören wird, weil Ten New Messages ein, zugegeben schwerer zugängliches, aber hervorragendes Album ist, das alle Zweitwürfe der Bloc Partys, Futureheads, Kaiser Chiefs oder Maximo Parks bereits in der ersten Kaffeepause zum Frühstück verputzen könnte.

Aber wenn diese Welt gerecht und keine mess wäre, von was sollte Alan Donohoe auch erzählen?

Anhören!
* Suspicious Eyes (hier)
* When Tom Cruise Cries
* The World Was A Mess But His Hair Was Perfect (hier)

– MySpace: http://www.myspace.com/therakes (mit „We Danced Together“ zum Hören)
– Homepage: http://www.therakes.co.uk

Christian Ihle

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