Bernhard Eder – The Living Room Sessions
Jung, Österreicher, in Berlin lebend. Eigentlich ist Bernhard Eder von Gott schon reich genug beschenkt, muss er dann auch noch so bezaubernde Lieder schreiben können?
Ungerecht sind die Talente auf dieser Welt verteilt, wohl wahr. Eine Linderung mag sein, dass der Wahlberliner uns Fußvolk wenigstens akustisch in sein Wohnzimmer einlädt, um seine Songs vorzustellen, die die Erinnerung an selig Nick Drake unwillkürlich wachrufen. Monta minus Sonne, Elliott Smith ohne Selbstmord, das sind die Referenzen, an denen sich Eder musikalisch entlanghangelt. Umso schöner, dass die beiden Coverversionen auf diesem Album gerade nicht aus dieser Ecke kommen: „Climbing Up The Walls“ von Radiohead und „Being Boring“ der Pet Shop Boys werden der Ederschen Akustikbehandlung unterzogen. Insbesondere die Dancefloor-Melancholie der Pet Shop Boys erlebt eine kongeniale Umsetzung. Dass Teile des Albums passend zum Titel beinahe Demo-Charakter atmen, schadet dabei keineswegs, sondern steigert die Intensität der Akustikstücke nur mehr. (Christian Ihle)
Anhören:
* Being Boring
* Cute (hier)
Im Netz:
* MySpace
* Mp3-Download: TeenSpirit
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Lavender Diamond – Imagine Our Light
Als Lavender Diamond letztes Jahr erstmals auf die größere Musikbühne traten, war in den Blogs (wie auch hier) erstauntes Raunen zu vernehmen. Der unbedingte Wille zum Pathos, eine erstaunliche Stimme und unverstelltes Hippietum erinnerte an die Feuilleton-Lieblinge der letzten Monate und Jahre wie Joanna Newsom, Regina Spektor oder CocoRosie.
Das Debütalbum kann die Vorschußlorbeeren der „Cavalry of Light“ EP nicht vollends rechtfertigen: ein sicher gutes Album, doch die Hippie-Pathos-Mischung wirkt über die volle Strecke das eine oder andere Mal zu blumenquäkig.
Sicherlich leidet das Album auch am Entschluss, den Wahnsinnshit der EP, You Broke My Heart (mp3), wegzulassen. Der Weg von Lavender Diamond wird hier aber noch nicht zu Ende sein. (Christian Ihle)
Anhören:
* Oh No (hier)
* Open Your Heart (hier)
Im Netz:
*Homepage
*MySpace
*Indiepedia
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Two Gallants – The Scenery Of Farewell
Es ist nicht mehr als ein Zwischenalbum das die beiden Amerikaner in diesem Sommer veröffentlichen, bevor sie Ende des Jahres mit dem regulären Drittwerk hoffentlich, endlich den ihnen gebührenden Rang einnehmen werden. Das letztjährige „What The Toll Tells“ war nicht nur eines der besten Alben des Jahres, sondern auch das beste Amalgam aus Bright Eyes, den White Stripes, Bob Dylan und Johnny Cash, das man sich nur vorstellen konnte.
„The Scenery Of Farewell“ wurde während der langen Touren zum letzten Album aufgenommen, konzentriert sich noch stärker auf akustisch untermaltes Storytelling und lässt den Punk dieses Mal zuhause. Die Stärke dieser auch live fantastischen Zweimannband zeigt sich gerade dadurch, dass es nicht krachen muss, um zu kicken. Fünf wunderbar kontemplative Songs, die vom Leben in der Weite Amerikas erzählen. (Christian Ihle)
Anhören:
* Linger On
* Lady
* Download: Seems like home to me (hier)
Im Netz:
*Homepage
*MySpace
*Indiepedia
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The Marble Man – Sugar Rails
Ist es eigentlich Vorhersehung, dass gerade jetzt, wo ich mich an die Arbeit mache, das Album von The Marble Man zu besprechen, „Only the lonely“ von Roy Orison im Radio läuft?
Kann sein, oder?
Nur weil der Junge auf dem Cover da so alleine in seinem Bauwagen sitzt und traurig schaut. Ähnlich traurig und ruhig und zurückgenommen, wie seine Lieder klingen. Suchend nach den Gründen, warum die Welt da draußen so ist, wie sie ist und verloren in Gedanken, die einen jungen Herren wie Josef Wirnshofer aus einem Dorf bei Traunstein so durch den Kopf gehen.
Während andere Jugendliche vor den Fernsehstudios Schlange stehen und alles tun, um in den Motto-Shows beim Nachsingen irgendeiner Nummer eines längst zu Recht vergessenen 80er Jahre-Sternchens jeden Ton zu treffen, kennt The Marble Man die wirklichen Helden der Vergangenheit.
Er zitiert Nico (ihr Albumtitel „The Marble Index“ war Vorbild für den Bandnamen hier), liebt Leonard Cohen (das hört man mit jedem Takt) und weiß, wo man im Song ein klitzekleines, kaum hörbares Detail einbauen muss, um Herzen springen zu lassen.
1993 erschien bei Glitterhouse Records eine Mini-LP der ostwestfälischen Noise-Pop-Band Hip Young Things. Diese Band hatte vorher wunderschöne Lärmtiraden auf Platte gebannt (live bediente Sänger und Gitarrist Schneider sein Instrument auch gerne mal mit dem Akkuschrauber), um plötzlich mit einer Akustik-Platte um die Ecke zu kommen. Plötzlich wurde allen klar, wie großartig die Hip Young Things eigentlich sein müssen. Machen Lärm, werden deshalb von Poppern verkannt und schenken dann ihrer (viel zu kleinen) Fangemeinde reduzierte und großartige Songperlen, die so rein und sauber waren, dass man nicht mal einen ausgeschalteten Verzerrer in hundert Metern Umkreis vermuten wollte.
Warum ich das sage? Ich weiß es nicht.
Ich musste nach dem mehrmaligen Hören von „Sugar Rails“ eben wieder die Akustik-Platte der Hip Young Things rauskramen und ich freue mich wie Bolle, wie einfach Musik sein kann. Wenn sie nur klug komponiert ist, braucht sie kein Brimborium um sich herum. Das ist beruhigend.
Wie auch The Marble Man, der sich einfach auf den Song konzentriert und alles andere nebenher vergisst und vergessen lässt. (Säm)