David Dondero – Simple Love
Als David Dondero in diesem Frühjahr als Vorband mit Bright Eyes über deutsche Bühnen tourte, war die Ignoranz, die ihm entgegenschlug, immens. Seine kleinen, von ihm alleine auf Gitarren vorgetragenen Lieder gingen zumeist im Stimmengewirr der unablässig redenden Conor-Oberst-Verehrer unter. Wie ungerecht, ist Dondero doch eine der Hauptinspirationsquellen für Obersts Bright Eyes Band, was nie deutlicher wurde als in diesem Jahr: die deutlich mehr dem Country und Americana verpflichtete Bright Eyes Platte „Cassadaga“ klingt wie ein Geschwisterwerk des neuen Dondero-Albums. Leider ist wie schon auf „Cassadaga“ auch bei Dondero festzustellen, dass die volle Bandmontur nicht jedem Song gut zu Gesicht steht und auf Albumlänge sich das Delikate der einzelnen Lieder doch zu oft verliert. Trotzdem: alleine die beiden Songs „Rothko Chapel“ und „Lone Rose“ wiegen diese Unzulänglichkeiten auf und sind besser als alles, was Conor auf „Cassadaga“ veröffentlichte. Hätten die Bright-Eyes-Konzertbesucher doch nur mal zugehört! (Christian Ihle)
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Rothko Chapel (hier)
Lone Rose
Im Netz:
*Homepage
*MySpace
*Indiepedia
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M.I.A. – Kala
Manchmal lohnt es sich eben doch, das löchrige Wissensportal Wikpedia zu bemühen. Zumindest, um Zusammenhänge herzustellen (oder zu entfremden). Bei M.I.A. sieht das dann ungefähr so aus: Mia (Vorname), die verniedlichung der Essstörung Bulimia Nervosa (Ess-Brech-Sucht), eine deutsche Popmusikgruppe, Marxists Internet Archive, eine im angloamerikanischen Militärjargon gebräuchliche Abkürzung für Missing In Action, das Mathe-Informatik-Abitur, der IATA-Code für den internationalen Flughafen von Miami, Mouvement Islamique Armé, die Bewaffnete Islamische Bewegung Algeriens, das Minneapolis Institute of Arts, eine amerikanische Punkband aus den 80er Jahren sowie und schlußendlich bedeutend, der Künstlername M.I.A. der britischen Rapperin Mathangi „Maya“ Arulpragasam. So vieldeutig wie die Abkürzung ist auch der musikalische Fundus der Engländerin mit indischen Wurzeln.
„Arular“, das explosive Debüt vor drei Jahren, war ihrem Vater gewidmet, einem Führer der Befreiungsbewegung in Sri Lanka. „Kala“ ist nun das Produkt ihrer Welttournee, ein wirres und fluoreszierendes Abbild ihres reichen Musikschatzes. Denn eines muss man M.I.A. schon von Grund auf zugestehen: sie versteht etwas von Kunst und Musik. Und sie weiß, wie man das ganze richtig und glaubwürdig verzahnt. „Kala“ steht ihrer Vorgängerin „Arular“ in nichts nach. Es poltern und stolpern immernoch die Beats, die Synthies fiepen noch immer und an jeder Ecke sausen Samples vorbei (beim Opener „Bamboo Garden“ ist das scheinbar ein Formel 1 Wagen). Das ganze zusammen hält M.I.A.’s betörend schöne Voodoo-Stimme, die zwischen Langeweile und Enthusiasmus pendelt. Und wer noch immer nach dem Popsong des Jahres sucht, findet ihn vielleicht in „Jimmy“. Bei so viel weltgewandter Dance-Music wird einem ganz schwindelig. Und wenn das bollywood’eske Gefiedel mitten im Song auftaucht, muss man sich fast ein bischen schämen. Weniger wegen der Weltmusik-Klischees, als vielmehr wegen der eigenen Unbeflecktheit, mal über den Tellerrand europäischer und Nordamerikanischer Musikkultur hinauszusehen. Schon dafür hat M.I.A. einen Orden verdient.
(Robert Heldner)
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* Jimmy (hier)
* Bamboo Garden
* Paper Planes
Im Netz:
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* Indiepedia
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Moonbabies – At The Ballroom
Retro-Space-Pop. Naja, so richtig gefällt das noch nicht als Klammer. Aber Pop allein reicht eben auch nicht. Zu eigenständig und grundsympathisch ist dann doch die musikalische Herangehensweise der Schweden. Carina Johansson und Ola Frick. Diese beiden Menschen sollte man sich merken. Seit einer ganzen Weile geistert das Schwedenpärchen nun schon durch Blogs und kleine Clubs. Zwei Alben hat Europa schon sehen dürfen, „June and Novas“ sowie „The Orange Billboard“. So richtigankommen dürften die Moonbabies allerdings erst jetzt, auf V2Records.
Schon der Titel des Albums kündete von zukünftigen Höhepunkten. „At the Ballroom“ – das riecht nach Glanz, Gloria und teuren Vorhängen. Ganz so ist es dann aber doch nicht. Die Moonbabies haben einen gewissen Lo-Fi-Appeal bewahrt und streuen ihn dann und wann unter die durcharrangierten Popsongs. Bei „Ratatouille“ hört man das deutlich. Die Band lässt sich Zeit, selbst wenn Synthie-Streicher und Pomp mal nicht aufgefahren werden. Auch „Walking on my feet“ hat diese gewisse Selbstzufriedenheit – bei James Blunt wäre dieser Song mit Sicherheit zu einem schmalzigen Etwas verkommen. Nicht so bei den Moonbabies. Carina und Ola wissen, wie man selbst die gefährlichste Hookline noch so aufs Papier bringen kann, dass sie zwar Lo-Fi bleibt, den Pop-Appeal aber nicht vernachlässigt. Diese Ambivalenz macht „At the ballroom“ zu einem luftigen Vergnügen. Wie lang die Halbwertszeit ist, bleibt dabei egal. Hier herrscht Ambient-Hedonismus, der sich um die Zukunft nicht schert. AUßerdem kommen sie im Herbst auf Tour. Retro-Space-Pop? Vielleicht doch nicht ganz falsch. Wäre ja eine eigene Duftmarke… (Robert Heldner)
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*Walking on my feet
*Ratatouille