A Life, a Song, a Cigarette – Fresh Kills Landfill
Als ich Bernhard von Siluh Anfang des Jahres wie immer in der ersten Reihe eines großartigen Konzertes traf, wollte ich schnell nur wissen, was sein Leben macht. Er gab keine Antwort, sprach von einer Neuentdeckung, welche die Welt verändern wird. Das war im Augenblick wichtiger. Weil das sein Leben war. Die Musik. Das sah man, weil sein Herz überging und man es bis durch seine Augen dabei sehen konnte. Er redete von A Life, a Song, a Cigarette.
Ein paar Monate später reicht er umfangreiche Beweise für seine Theorie ein. „Fresh Kills Landfill“ landete in meinem Briefkasten.
„Love“ war längst aus dem Indie-Radio bekannt und zerriss Herzen mit seiner Melodie und dem zweistimmigen Gesang. So klingt Inbrunst, dachte ich mir, als ich Nachts durch den Regen fuhr und dieses kleine Lied aus meiner Autostereoanlage kam. Ich drückte die Repeat-Taste, damit der Song mich nach Hause brachte.
Ich dachte noch lange im Bett darüber nach, wie es funktioniert, Emotionen in Töne zu verwandeln. Bei A Life, a Song, a Cigarette funktioniert das wie von selbst.
Aber um Gefühle auszudrücken, hat man Musik ja erfunden. Und A Life, a Song, a Cigarette schaffen es mit jedem Ton, der auch noch so leise, fast zufällig und unscheinbar daherkommt, Großes zu vollbringen. Weil jeder einzelne Ton genau da hingehört und da nie und nimmer ohne Grund erklingt.
Das ist die große Kunst der Gefühle in der Musik. Eine Gänsehaut zu erzeugen, bei der man nickt und immer wieder zustimmt: „Ja, endlich versteht mit mir gemeinsam jemand die Welt da draußen“. Danke dafür. (säm)
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* Love (hier)
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The Kilians – Kill the Killians
Vor ein paar Wochen traf ich Tomte-Sänger und Grand Hotel van Cleef-Labelmensch Thees Uhlmann in der ersten Reihe bei einem Konzert. Ein junger Musiker spielte gerade seine Lieder, als Thees meinte: „Wenn der jetzt gut ist, nehme ich den sofort nach dem Konzert unter Vertrag.“
Sämtliche wirtschaftlichen Befürchtungen, die ein Plattenfirmen-Mensch da jetzt eigentlich haben sollte, waren bei ihm völlig außer Kraft gesetzt. „Plattenfirma machen ist wie Lotto spielen. Und wenn ich für eine Band sterben würde, dann bringe ich die raus.“
Seit zwei Jahren kümmert er sich um die Kilians und je nach Lust und Laune des Markts, werden daraus die deutschen Arctic Monkeys oder die Dinslakener Dorf-Strokes.
Dass den jungen Herren mit dem frischen Abitur-Zeugnis ganz fett Strokes aufs Herz tätowiert ist, hört man beim ersten Takt ganz am Anfang. Ähnliche Songstrukturen, die gesangsbegleitende Gitarrenmelodie und die Stimme, die mehr nach Julian Casablanca klingt als es der Meister selbst auf den Strokes-Alben zwei und drei schafft.
Live können die Kilians zwischen rotzigen Indie-Entertainment und lahmen Schulband-Niveau alles erreichen, es liegt jetzt nur daran, was sie erreichen wollen.
Die beiden Shows, die ich bisher von ihnen gesehen hatte, waren meilenweit voneinander entfernt. Leider war das bessere Konzert aber das frühere. (säm)
Anhören!
* Fight the Start (hier)
* Enforce yourself (hier)
Im Netz:
* Indiepedia
* Homepage
* MySpace
* Die EP-Kritik des Popblog aus dem April
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V.A. – Poptastic Conversation
Letzte Woche erst diskutierten wir wieder darüber, was eigentlich aus Lieblingslied Records geworden ist und schon klopfen die Berliner wieder an die Tür. Nie waren sie ansatzweise untergetaucht. Selten aber waren es Platten- und CD-Veröffentlichungen im herkömmlichen Sinn, die das Label unter die Leute brachte. Mal Lieblingslied-Zusammenstellungen samt Buch, dann Hörspiel plus Kurzfilm-DVD, dazwischen mal ein Jim Avignon-Album samt Bilderbuch und und und…
Mit der neuesten Idee zielen sie genau auf eine Zielgruppe: auf mich.
Mit „Poptastic Conversation“ veröffentlicht das Berliner Label in Zusammenarbeit mit der Wörterbuchmarke PONS einen Deutsch-Japanisch-Sprachkurs. Punktlandung in mein Herz!
So kann ich meine Bildung erweitern und hab weiterhin das Gefühl mitten im Zentrum der Popkultur zu stehen. Beides, ohne in die Schule oder an die Universität zu gehen und Bücher zu wälzen. Nur durch Zuhören und Mitsprechen (und bitte legt die CD mal auf, wenn ein paar mehr Leute im Auto sitzen, um gemeinsam durch die Nacht zu fahren).
Klar, die eine CD bringt vielleicht nur rudimentäre Grundkenntnisse der japanischen Sprache, aber für die nächste Party und das nächste Vorstellungsgespräch (außer der Chef spricht wirklich japanisch) ist das mehr als genug.
Zum Vertiefen der japanischen Sprache liegt CD 2 bei.
Und genau die liefert das Verkaufsargument zum Package:
Deutsche Bands singen japanisch. Nicht die alte Karaoke-Nummer, sondern ihre eigenen Lieder.
Platz eins und zwei gehen an Bands, mit denen man eine größere Zielgruppe (mehr als nur mich) erreicht: Die Ärzte („Rettet die Wale“ wird zu „Kujira O Sukue“) und das hinlänglich bekannte „Sa Itte Miyo“ („Von hier an blind“) von Wir sind Helden.
Darauf folgt die Band, die bei so einem Projekt nie fehlen darf: Stereo Total bringen „Du bist schön von hinten“ („Ushilo Sugata Ga Kilei“) hier auch musikalisch im neuen Gewand.
Was danach kommt, sind Bands, die dem Label Lieblingslied Records immer nahe standen (Quarks, Wagner und Pohl, Neoagin) plus die Einstürzenden Neubauten, Bernd Begemann („Ich komm um zu kündigen“ im Electro-Punk-Mix als „Kaisha Yame Ni Mairimashita“), Humpe & Humpe und einige mehr.
Laut Ankündigung will man mit der CD deutsche Popmusik in Japan bekannter machen. In Wahrheit will man mir nur Bildung vermitteln und mich dabei köstlich unterhalten. (Säm)
Doozo yoroshiku*
Anhören!
* Die Ärzte: „Kujira O Sukue“
* Wir Sind Helden: „Sa Itte Miyo“
* Stereo Total: „Ushilo Sugata Ga Kilei“
Im Netz:
* Label-Homepage
* Lieblingslied Records bei Indiepedia
*zu deutsch: Ich hoffe auf Ihr Wohlwollen
[…] Weiteres im Popblog über die Kilians: * Plattenkritik zur Start The Fight EP * Plattenkritik zum Kill The Kilians Album […]