vonChristian Ihle & Horst Motor 23.10.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Athlete – Beyond The Neighbourhood

Dass Athlete mit ihrem Zweitwerk „Tourist“ schlagartig die Fahrtrichtung änderten und mal eben um zwei generationen alterten, ließ sich schwer verkraften. „Beyond The Neighbourhood“ möchte nichts geradebiegen. Ist aber trotzdem ziemlich reizend.

Wenn man sich heute die Videos zu „El Salvador“ und „You Got The Style“ ansieht, mag man kaum glauben, was Athlete heute für eine Band sind. Ungestüm, dreckig, mitreißend und funkelnd war das Debüt „Vehicles And Animals“ – traurig, elegisch, dumpf und pathetisch war dann „Tourist“. Vekauft haben sich beide Alben mehrere hundert tausend mal. Hierzulande krebsen die Engländer nachwievor herum. Und das, obwohl der Coldplay-regler mittlwerweile auf zehn hochgedreht wurde.
Jetzt ist also der Weg festgeschrieben: der ausufernde Popsong wird gesucht. Geboten wird: ein komplett eigenproduziertes Album. Kein Lo-Fi, kein Grandaddy, aber auch kein Flaming Lips. „Beyond The Neighbourhood“ gibt sich erwachsen. „Hurricane“ ist Stadion-Pop galore, hat eine hübsche Melodie und einen strahlenden Text, bleibt aber ebensowenig hängen wie das folgende „Tokyo“. Zu gut, um als Hintergrundgedudel unterzugehen. Aber zu gewollt, um zu überzeugen. Ein Dilemma, das schon viele Bands die weitere Karriere gekostet hat. Aber vedammt, da sind dann eben auch noch Songs wie „This Is What I Sound Like“, die trotz aller Poliermittel so kräftig sind, dass man nicht anders kann, als Athlete zumindest ein ausgesprochen gutes Gespür für Melodien zu bescheinigen. Noch lieber wäre es einem aber, ihnen folgendes Zeugnis auszustellen: wieder so gut wie auf „Vehicles and Animals“ zu sein. Bis dahin ist es ein langer Weg. Vielleicht zu lang. Die Jugend ist dahin.
Sehr sehr schade. (Robert Heldner)

Anhören:
* Tokyo
* Hurricane

Im Netz:
* Indiepedia
* Homepage
* MySpace

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Irene – Long Gone Since Last Summer

Es ist schon seltsam, dass ausgerechnet Skandinavien mit seinen doch so hohen Selbstmord- und Depressionsquoten immer wieder Musik hervorbringt, die sonniger nicht sein könnte. Ob im letzten Jahr das wild-enthusiastische Gekreische von Love Is All, das ubiquitäre Gepfeife von Peter Björn & John oder der vertonte Kindergeburtstag von I’m From Barcelona auf die Bühne traten, immer wieder hellen skandinavische Bands mit ihren Songs die Gemüter rund um den Erdball auf. Aus dem Labrador-Records-Schuppen kommt nun Irene mit ihrem neuen Album hervorgetänzelt und bereits der erste Song lässt diese Platte gewinnen. Wunderbare Bläserarrangements, Handclaps und eine Melodieseligkeit, die die Kälte flugs wieder in die Welt vertreibt und aus dem eigenen Herzen kehrt, kurz: die perfekte Musik, um den Morgen wohlgelaunt zu starten, den Sonntagnachmittag erfreut zu verbringen und den Arbeitsstress Donnerstagabend aus der Woche zu blasen. Mehr davon, bittesehr. Lebensmut können wir immer gebrauchen! (Christian Ihle)

Anhören!
* By Your Side (mp3)
* Out Of Tune

Im Netz:
* MySpace
* Homepage

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Rooney – Calling The World

Gaga-Texte und Californication, aber auch Catchy as hell ist das Zweitwerk „Calling The World“ von Rooney – und hinterlässt eine bleierne Schwere im Magen.

Es lohnt irgendwie nicht, noch ein zweites mal auf der Tatsache herumzureiten, dass auch Rooney-Sänger Robert Schwartzman Teil des Coppola Clans ist. Und Bruder von Schauspieler Jason Schwartzman, der die Band Phantom Ghost damals verließ, als sie mit „California“ ganz groß wurden. Es lohnt deshalb nicht, weil es unerheblich ist. Zumindest auf den ersten Blick. Bei genauerer Betrachtung allerdings wird deutlich, dass Rooney deshalb diese Art von Pop-Rock machen, gerade weil Robert Schwartzman aus der Familie kommt aus der er nunmal kommt. Es liegt nämlich eine unfassbare Gelassenheit über „Calling The World“ – und die lässt sich am besten dadurch erklären, dass Rober Schwartzman kraft seiner Familie nicht viel mehr zu tun braucht, als in den Tag hinein zu leben.

Surfen, Chicks, um die Welt reisen, eine Band gründen, Surfen, Party – da wundert es einen auch nicht, wenn aus der Schnapsidee, eine Band zu gründen, tatsächlich noch etwas wird. Das Debütalbum „Rooney“ veraufte sich in den USA über 400.000 mal. Jede Wette, dass „Calling The World“ dem in Nichts nachstehen wird. Die Band hat nun noch besser begriffen, wie manipulativ und spielerisch Popmusik sein kann. Nirgendwo wird das so deutlich wie in der Single „When did your heart go missing?“. Nun könnte man es dabei belassen, müde und altersmilde auf scheißfröhliche Amerikaner zu lächeln, sie ihren gutgelaunten Gaga-Poprock herunterspielen lassen. Aber irgendwie ist das dann doch ungerecht. Für so ein Feuerwerk der kommerziell ervorragend verwertbaren Popmusik hätte Sänger Robert Schwartzman in seiner Vergangenheit ruhig ein paar Drecksjobs erledigen können… (Robert Heldner)

Anhören:
* When did your heart go missing
* Don’t Come Around Again

Im Netz:
* Homepage
* MySpace
* Indiepedia

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