vonChristian Ihle 12.02.2009

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Der Knochenmann

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1. Der Film in einem Satz

Josef Hader meets Fargo.

2. Darum geht’s

Der Brenner, der Josef Hader also, ist zum dritten Mal im Kinoeinsatz. Nach „Komm süßer Tod“ und „Silentium“ verschlägt es den ehemaligen Polizisten diesmal in die österreichische Provinz.
Um einen säumigen Schuldner zu finden, quartiert er sich für einige Tage in einem Landgasthof ein (Brenner (Hader) *sauer*: „Ich seh‘ scho‘, hier ist der Gast noch König.“ – Der Wirt (Bierbichler): „Das ist hier auch kein Gasthaus, sondern ein Wirtshaus.“), verliebt sich in die Schwiegertochter, freundet sich mit dem Wirt an und muss nebenbei noch ein unglaublich zartes Gulasch verspeisen.

Durch unglückliche Verwicklungen kommt es zu dem einen oder anderen Mord im Landgasthof und Eifersüchteleien, Familienstreitigkeiten füllen Tage aus, was einen Brenner aber natürlich nicht aus der Ruhe kommen lässt.

Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Verfilmungen von Wolf-Haas-Romanen mit der Brenner-Figur ist in Der Knochenmann endlich die Krimihandlung auf einer Höhe mit den komödiantischen Elementen. Haben die bisherigen Filme – so gut sie auch waren – immer nur wie Vehikel gewirkt, um Hader eine Plattform zu bieten, ist Der Knochenmann auch als eigenständiger Thriller gelungen. Manchmal erinnert die Gewaltspirale in Richtung Absurdität an frühere Werke der Coen-Brothers wie „Fargo“ oder „Blood Simple“, in denen oft Morde auch nicht aus bösem Willen oder Berechnung geschahen, sondern weil sie just in diesem Moment den handelnden Personen als beste oder einzige Lösungsmöglichkeit erschienen. Dazu ist die neue Haas-Verfilmung dank der schauspielerischen Urgewalt Josef Bierbichler und Brigit Minichmayr (als Brenners Herzensdame) auch in den Nebenrollen überdurchschnittlich gut besetzt.

So ist „Der Knochenmann“ nicht nur der beste Film der Brenner-Reihe, sondern auch eine der besten Thriller-Komödien der letzten Jahre.

3. Der beste Moment

Als Brenner den Wirt für sein besonders zartes Gulasch lobt; nicht wissend, was das Gulasch so sagenhaft zart gemacht hat.

4. Diese Menschen mögen diesen Film

Wer österreichischen Dialekt, Haders Humor oder Thriller im Coen-Style mag.

* Österreich
* Regie: Wolfgang Murnberger
* imdb

Claustrophobia

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=C5M-h_hLGIA[/youtube]

1. Der Film in einem Satz

„Lost In Translation“ bei Arbeitskollegen in Hongkong.

2. Darum geht’s

In Rückblenden fächert Regisseur Ivy Ho die Geschichte einer (Nicht?-)Affäre auf. Wir starten mit einer Autofahrt von fünf Arbeitskollegen, deren Geschichten wir in strenger Rückwärtserzählung kennenlernen werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Pearl und ihr Chef Tom. Pearl erhält am Ende dieser Autofahrt mehr oder minder verklausuliert ihre Kündigung. Die sehr elliptische Erzählweise lässt bei manchen Rückblenden eine Affäre erahnen – aber vielleicht auch nur den beiderseitigen Wunsch danach, der den Gegebenheiten (die gemeinsame Arbeitsstelle, Toms Ehe) geopfert wurde.

Ivy Ho erzählt die Geschichte der beiden leise, beinahe zärtlich. Fast nie sind Pearl und Tom tatsächlich alleine miteinander zu sehen, meist sind sie von Arbeitskollegen umringt. Nur im Moment der Kündigung und in einer Rückblende, in der Pearl Tom ihre Liebe gesteht, ist den beiden alleinige Leinwandzeit vergönnt. Zu dumm, dass Tom gerade während der Liebeserklärung tief schläft und nichts davon hören kann…

Claustrophobia ist ein Lied der verpassten Chancen, der ausgelassenen Gelegenheiten, des Scheiterns vor der Beziehung. Wie die äußeren Gegebenheiten so sehr einengen, dass etwas flüchtiges wie Liebe nicht entstehen kann – kein Wunder, dass die Akteure auch immer in geschlossenen Räumen zu sehen sind. Mit Ausnahme der Szene, in der sie ihre Liebe wohl erstmals erahnen.

3. Der beste Moment

Der Gegensatz der beiden Arbeitskolleginnen Pearl und Jewel, jede auf ihre Art überaus attraktiv. Jewel ist das aufgedrehte, dafür vielleicht nicht ganz so helle Mädel, während Pearl immer introspektiv und ernsthaft scheint – mit Ausnahme der Schluß-Szenen, die in der rückwärtsgewandten Chronologie des Films den Anfang der Zuneigung von Tom und Pearl markieren.

4. Diese Menschen mögen diesen Film

Die kein großes Liebesdrama sehen wollen, sondern der leisen Erzählung und vor allem der Auslassung etwas abgewinnen können.

* Hongkong/China
* Regie: Ivy Ho
* imdb

My Dear Enemy

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1. Der Film in einem Satz

Als würde Jim Jarmusch die Andeutung einer Liebesgeschichte während der südkoreanischen Rezession drehen.

2. Darum geht’s

Ein Girl (Hee-Su) hätte gerne die 3.500 $ zurück, die sie ihrem ehemaligen Boyfriend (Byeong-Woon) vor einem Jahr geliehen hatte. Der hat dank der vorherrschenden südkoreanischen Rezession natürlich kein Geld auf der Hand und in der Bank, so dass die beiden zwangsläufig bei all seinen Freunden (und vor allem Freundinnen!) die Runde machen müssen, um sich stückchenweise die 3.500 $ wieder zusammen zu borgen.

Die auch nach 12 Monaten noch wütende Hee-Su misstraut dem Hallodri Byeong-Woon auf Schritt und Tritt, während diesen nichts aus der Ruhe bringen kann und er kein Problem sieht, bei allen möglichen Freundinnen, Affären, Sexpartnern in spe Geld für die ehemalige Freundin, Affäre, Sexpartnerin zu leihen. So belanglos die Geschichte klingen mag, erinnert sie dabei aber immer wieder an die besten Filme von Jim Jarmusch, der seine Figuren auch oft auf eine Reise schickt, in der im Grunde nichts passiert, aber das Seelenleben seiner Charaktere dabei dem Zuschauer aufgefächert wird.

Das gelingt auch dem südkoreanischen Regisseur Yoon-ki Lee ganz hervorragend, der mit dem unglücklich betitelten „My Dear Enemy“ (das Original übersetzt sich als „One Fine Day“, was näher an Handlung und Atmosphäre wäre) einen der schönsten Filme der diesjährigen Berlinale präsentiert; eine Schande, dass er nicht im Wettbewerb laufen durfte. „My Dear Enemy“ ist einfühlsam, subtil, fließend, fesselnd und amüsant.

Im Subtext schwingt immer wieder die Angst vor dem Absturz und die Frage von Würde in Zeiten einer Rezession mit. Die meisten Figuren in diesem Film haben kein Geld und versuchen sich ihre Würde und ihre Träume weiter zu bewahren. Freundschaft, Hoffnung und gegenseitige Unterstützung sind ihre Ersatzwährungen.

3. Der beste Moment

Der subtile, verbale Catfight zwischen Hee-Su und einer wohlsituierten Stripperin, die – wohl – Byeong-Woons derzeitige Affäre ist und die im Rahmen der Geldborgrundfahrt ebenfalls aufgesucht wird.

4. Diese Menschen mögen diesen Film

Wer beispielsweise Jim Jarmuschs „Broken Flowers“ mochte.

* Südkorea
* Regie: Yoon-ki Lee
* imdb

(christian ihle)

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