vonChristian Ihle 24.07.2009

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Es gibt wohl wenige Sterne am Musikhimmel, bei denen die Diskrepanz zwischen kommerziellem Erfolg und medialer Berühmtheit derart weit auseinander liegt wie bei Peter Doherty of Libertines und Babyshambles-Fame. Natürlich war die Liaison mit dem It-Girl des Modegeschäfts, Kate Moss, dafür verantwortlich, dass Doherty aus den Musik- und Spezialistengazetten hinaus den Weg in die Welt der großen Buchstaben fand, aber keinesfalls ist zu leugnen, dass sein Hang zur Selbstinszenierung und Eitelkeit ihn charismatischer erscheinen lässt als all die bleichgesichtigen Indie-Gitarristen, die ansonsten die Bühnen des Vereinigten Königreichs bevölkern.

Dass in Doherty der Drang zum sich-selbst-produzieren liegt, kann man bereits an seinen frühesten öffentlichen Äußerungen beobachten, die allesamt noch weit vor jeder Berühmheit lagen. So wurde der Teenager Doherty 1996 zufällig von MTV interviewt als er dabei war, sich für den Erwerb des damals landesweit sehnsüchtig erwarteten Oasis-Album „Be Here Now“ anzustellen. Der 17jährige Doherty kennt keinerlei Scheu vor der Kamera und schleudert dem interviewenden MTV-Reporter auf die Frage, ob er Oasis in einem Satz zusammen fassen könne, einen Satz vor die Füße, der in seiner Absurdität und Anmaßung gleichermaßen erfunden, wahnsinnig wie brillant ist – „I subscribe to the Umberto Eco view that Noel’s a poet and Liam’s a towncrier.“ – so dass der MTV-Reporter ihn nur noch fragen kann, ob er nicht gleich seinen Job möchte:

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Quba72Xli8o[/youtube]

Auch in seinen Tagebuchnotizen im Februar 1999, also noch drei Jahre bevor seine Band The Libertines überhaupt ihre erste Single veröffentlichen sollte, erträumt sich Doherty nicht etwa simple Werte wie einen Plattenvertrag oder gar Reichtum, nein, es dürstet ihn nach Ruhm, Anerkennung – im Grunde sogar mehr nach Bedeutung als nach Berühmtheit:

“I want to have a crack before I outgrow this youthful urge to be worshipped, this need to fill a ladder on English Pop’s evolutionary chart. I have a band (almost) and the spirit of the Albion enthuses it. A not quite ideal CD has been cut, and a live performance seems fairly imminent. I want somebody, somewhere to feel it in his heart to defend himself (at the threat of violence) in his belief that ‘The Libertines’ (or whatever we call ourselves) are perfection & beauty personified.”

Als er tatsächlich auf diese Ebene gelangt, bricht sich der wohl schon immer in seiner Person angelegte Narzissmus ungehindert bahn. Er erschafft sich eine eigene Welt, fantasiert von einem utopischen, regellosen Paradies namens „Arcadia“, in das ihn das stolze Schiff „Albion“ tragen möge. Er findet einen Mittelweg zwischen Modebewusstsein und Abgefucktheit, lebt den vielzitierten Junkie-Chic wie kein anderer, kommt mit dem Topmodel Kate Moss zusammen, wird von Modedesigner Hedi Slimane umschwärmt und zieht sich für eine Fotostrecke in der Vogue nackt aus.

dohertyvogue

Viel wird von Dohertys Crack- und Heroinabhängigkeit geschrieben, aber letzten Endes scheint das ehemals goldene Kind des britischen Pop vor allem nach einem süchtig zu sein: nach Aufmerksamkeit.

(Christian Ihle)

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https://blogs.taz.de/popblog/2009/07/24/narziss_und_goldkind/

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kommentare

  • Unter welcher Profilneurose auch immer der Peter leiden mag, who cares: es kam „Down in Albion“ dabei raus!!! Das reicht mir, den mittlerweise durch H&M fabrizierten Hut davor zu ziehen.

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