vonChristian Ihle 13.10.2011

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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1. Der Film in einem Satz:

Zwei Schwestern, eine Familienhölle.

2. Darum geht‘s:

Die bildhübsche und auf den ersten Blick fröhliche, glückliche Justine (eine tolle, tolle Kirsten Dunst!) feiert Traumhochzeit mit ihrem liebenswerten, fürsorglichen Mann. Ihre Schwester organisiert ein perfektes Fest und alles wäre gut, wenn nicht ihr Vater ein sich den Verantwortungen seiner Elternschaft entziehender, wirklichkeitsfremder Hallodri und ihre Mutter ein verbittertes Biest wäre, das keine Gelegenheit auslässt, seinen Töchtern die härtest denkbare Version der Wirklichkeit unter die Nase zu reiben.
Nach und nach merken wir, dass beide erwachsene Töchter diese Familienhölle nicht unbeschadet überstanden haben. Während Claire (eine angenehm uneitle Charlotte Gainsbourg) durch Korrektheit und Emotionslosigkeit die Vorhaltungen ihrer Mutter zu überkompensieren versucht, steckt hinter Kirsten Dunsts so fröhlicher Fassade eine Depression, die sie beinah lebensuntüchtig macht und letztendlich auch ihre Traumhochzeit eskalieren lässt.

Schnitt, einige Monate später. Justine ist endgültig in eine so tiefe Traurigkeit versunken, dass sie in der echten Welt nicht mehr „funktioniert“ und bei ihrer Schwester und deren reichem Mann (Kiefer Sutherland) wie ein Pflegefall einziehen muss. Zugleich nähert sich ein fremder Himmelskörper der Erde und die Wissenschaft ist sich uneins, ob er an unserem Planeten vorbeiziehen oder ein Zusammenstoß – und damit die Auslöschung allen Lebens – unvermeidlich sein wird. Während Claire Angst und Verzweiflung spürt, ist bei Justine die vorhandene Traurigkeit schon so groß und die Meinung über ihre Mitmenschen so schlecht, dass sie beinah aufzuleben beginnt, als die große Katastrophe sich nähert, bedeutet doch das Ende der Welt auch das Ende der Traurigkeit.

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Melancholia ist – wie wohl jeder Lars von Trier – ein abstraktes Werk, das sich gar nicht bemüht, die äußeren Gegebenheiten realistisch zu zeichnen, weil sie doch nur ein Abbild der inneren Entwicklung darstellen sollen. Deshalb ist auch jede Irritation über ein Weltenende in völliger Beschaulichkeit und Ruhe verfehlt, ging es von Trier natürlich nie darum, ein Arthouse-Armageddon zu drehen, sondern um den Versuch, im Abstrakten Bilder für etwas nicht Darstellbares wie Depression und innere Traurigkeit zu finden. Auch wenn scheinbar in der zweiten Filmhälfte die Figuren von Gainsbourg und Sutherland im Mittelpunkt stehen, sind sie doch nur Staffage, dreht sich dennoch alles im Grunde um den inneren Zustand des Dunst-Charakters.

So kann man Melancholia vielleicht deuten: die erste Hälfte, die Traumhochzeit, spielt in der tatsächlichen Welt und zeigt wie eine Person verzweifelt versucht, trotz einer unendlichen Traurigkeit lebensfähig zu bleiben und eine Fassade aufrechtzuerhalten, während die zweite Hälfte, das Warten auf die Apokalypse, im Grunde nur noch die innere Verzweiflung bebildert. Und so Bilder zu finden versucht für den Wunsch, der Traurigkeit zu entgehen und wenn der einzige Weg das Ende der Welt, das Ende des eigenen Lebens sein sollte.

3. Der beste Moment:

Wenn sich in der ersten Hälfte des Films langsam die Risse in der Fassade der Traumhochzeit zeigen und von Trier recht subtil die erlittenen Schäden durch die familiäre Umgebung aufzeigt.

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Wer sich in der Schönheit der Traurigkeit suhlen und Film-Charaktere als Platzhalter verstehen kann – und dabei nicht unbedingt eine nachvollziehbare Motivation oder in Realität geerdete Geschichte benötigt.

* Regie: Lars von Trier
* imdb

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