Gleich mehrere Zeitschriften haben sich Manfred Spitzers Buch „Digitale Demenz“ vorgenommen und es genüsslich seziert:
„Krude Theorien, populistisch montiert: Manfred Spitzer (…) will die Menschheit vor der Verblödung bewahren, die ihr unweigerlich durch Computer, Handy, Fernsehen sowie das Navi im Auto droht und von digitalen Dealern überall auf der Welt befeuert wird. Über sein neuestes Werk „Digitale Demenz – Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“ (Droemer), das es an die Spitze der Bestsellerlisten geschafft hat, urteilt Spitzer selbst: Dieses Buch „wird in den Augen vieler Menschen ein unbequemes Buch sein, ein sehr unbequemes“, schreibt der Autor über sein Werk. In erster Linie ist es ein ärgerliches und schludriges Buch.
Spitzer warnt in seiner Kampfschrift vor Verflachung, Vergesslichkeit und Vereinsamung. Neben dem Wort „Ich“ kommt wohl kein Begriff so oft vor wie der flehentliche Ausruf: „Es geht um unsere Kinder.“
(…)
Nun weiß Spitzer zweifellos eine ganze Menge, nur kann er diesen Informationswust nicht kohärent ordnen und strukturieren. Damit zeigt er in seinem Buch aufs anschaulichste jene dissoziativen Symptome, die seiner Theorie zufolge durch übermäßigen Medienkonsum drohen: Oberflächlichkeit und fehlende Orientierung. (…) Er bleibt einseitig und schreibt nicht wissenschaftlich, sondern montiert populistisch zusammen, was nicht zusammenpasst. Dass er sich als Hirnforscher bezeichnet, ist angesichts seiner in der vergangenen Dekade fast nur populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen fast so gewagt, als würde sich Michael Schumacher als Maschinenbauingenieur bezeichnen. (…)
Welche Kapriolen seine Logik hier geschlagen hat, wird Spitzers Geheimnis bleiben, ebenso wie bei der atemraubenden Beweisführung, dass es sein Schlagwort von der „Digitalen Demenz“ schon deshalb geben müsse, weil man bei Google mehr als 50.000 Einträge dazu findet. Bei dem Begriff „Grüne Giraffe“ sind es fast zehnmal so viel. (…) In einem Kapitel über die Schule will Spitzer zeigen, dass „Verarbeitungstiefe“ und „Behaltensleistung“ (so seine ungelenken Begriffe) einander bedingen. Je tiefer ein Sujet durchdrungen wird, umso mehr bleibt im Gedächtnis haften, so die Botschaft. Um dies zu illustrieren, zeigt er eine Grafik, in der nicht mal eine Dimension für die Behaltensleistung angegeben wird, sondern nur drei dunkle Balken in ansteigender Größe dargestellt werden. Das ist keine Aufklärung oder gar Popularisierung von Wissenschaft, sondern Verdummung.
(…) Nur argumentiert er dabei so bizarr, oberflächlich und mit verzerrten Bezügen, dass es selbst den glühendsten Anhängern seiner Ideen schwerfallen sollte, ihm in diesem Buch zu folgen.“
(Werner Bartens in der Süddeutschen Zeitung über Manfred Spitzers Buch „Digitale Demenz“)
„„Digitale Demenz“ ist ein unleserliches Buch, ein aus rostigen Studien, lahmen Alltagsweisheiten und gebrauchten Papers zusammengeschweißtes Konvolut, und wenn man ihm die Ferne zu seinem Gegenstand nicht auf jeder Seite ansehen würde, würde man ein Computerprogramm aus dem Internet für seinen Autor halten. Vielleicht wäre es wirklich das Beste, wenn man kein Wort mehr darüber verlöre. Dummheitsbücher haben Konjunktur, das wird sich so schnell nicht ändern. Doch leider ist Spitzers Beitrag nicht einfach der übliche Kulturpessimismus; es ist Kulturpessimismus im Gewand der Naturwissenschaft.
(…)
Einmal, schreibt er, war er in einer Talkshow zum Thema „Gewalt in den Medien“ zu Gast, in der auch Ausschnitte aus einem Videospiel gezeigt wurden („das sinnlose Abmurksen von irgendwelchen Gegnern“). „Nach diesen Einspielern“, erinnert er sich, „saßen alle Teilnehmer erschrocken, sprachlos und betroffen da.“ Nur zwei ebenfalls eingeladene „erfahrene“ Spieler „fanden das alles ganz normal“. Für Spitzer geht das als Beweis für ihre Abstumpfung durch – nicht nur, was Computerspiele betrifft, sondern auch in Bezug auf echte Gewalt. Was er selbst abends macht, nachdem er den ganzen Tag die Bilder von gespaltenen Schädeln gesehen hat, möchte man da lieber nicht wissen.
(…)
Spitzers wissenschaftliche Ambitionen aber sind so gering, dass er sich über seine Methoden keine allzu großen Gedanken macht. Es ist ihm nicht einmal zu blöd, im Zweifelsfall auf die Werkzeuge des Satans zurückzugreifen. Seinen Kritikern, die zweifeln, dass es so etwas wie „digitale Demenz“ überhaupt gibt, empfiehlt er in seinem Buch, den Begriff doch einfach einmal zu googeln. Auf Deutsch erhalte man etwa 8.000 Einträge. Das war vor der Veröffentlichung. Heute sind es 1.040.000. Sein Buch muss sehr viele Menschen krank gemacht haben.“
(Harald Staun in der FAZ)
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