vonChristian Ihle 08.11.2012

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Killer Joe, der neue und äußerst kontrovers diskutierte Film von William Friedkin, der einst im 70er Jahre Kino mit „French Connection“ und „Der Exorzist“ Maßstäbe setzte und zuletzt mit „Bug“ eine kaum mehr erwartete Karriere-Renaissance erlebte, hat leider nicht den Sprung in die deutschen Kinos geschafft, sondern ist direkt in die Videotheken gewandert. Gerade auch nach heftigen Diskussionen ob der Freigabe des Films (selbst in der ab-18-Freigabe wollte die Prüfstelle unbedingt noch Schnitte sehen, was Friedkin kategorisch als sinnentstellend ablehnte) möchten wir dennoch einmal ausdrücklich auf diesen kleinen, dreckigen, durchaus verstörenden Film hinweisen, den man sich jetzt eben zu Hause in den eigenen vier Wänden ansehen muss… so man a) erwachsen ist, b) seine Hände an eine „SPIO-JK: Keine Schwere Jugendgefährdung“-Fassung bekommt oder, eh, c) Internet hat.


Killer Joe (Regie: William Friedkin)




1. Der Film in einem Satz:


I hired a contract killer…
and all I got was a lousy fellatio with a chicken wing.



2. Darum geht‘s:


Der hochverschuldete Chris (Emile Hirsch) und sein tumber Papa Ansel Smith (Thomas Haden Church) stecken in finanziellen Schwierigkeiten. Als Trailerparkbewohner und Vorzeige-White-Trash-Protagonisten liegt die Lösung nahe: Einen Killer beauftragen, um an die Lebensversicherung der Mutter zu kommen. Auftritt: Joe Cooper, Polizist und Auftragsmörder. Cooper hat klare Regeln, was Vorabzahlungen angeht, ist aber vom minderjährigen Familienmitglied Dottie (eine sensationell furchtlose Juno Temple) so begeistert, dass er sich auf einen Deal einlässt: Mutter wird ohne Vorschuss gekillt, dafür gibts eine Nacht mit Tochter Dottie als Bonus…


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=cxpvzmvFHTM&feature=fvwrel[/youtube]


Schnell ist klar: einen Preis für übergroße Political Correctness wird „Killer Joe“ nicht gewinnen – und da haben wir noch nicht einmal das Frauenverprügeln und den fünfminütigen Chicken-Wings-Fellatio erwähnt! Was uns Altmeister William Friedkin (Regisseur von „Exorzist“ und „French Connection“!) nach einem Drehbuch von Pulitzer-Preisträger Tracy Letts präsentiert, ist so gewagt, dass schon überrascht, welche Riege von großen Namen er für diesen Film gewinnen konnte. Als Killer Joe selbst glänzt der unerträgliche Schmierlappen Matthew McConaughey in einer Weise, dass man glaubt, seine ganze Karriere wäre nur darauf ausgerichtet gewesen, diese gänzlich amoralische, aber dennoch erstaunlich beeindruckende Figur zu spielen.

Ein bemerkenswerter rauher Film, der genug verstört, um nicht nur coole Fassade im „No Country For Old Men“ – Gewand zu sein, sondern auch als Kritik am amerikanischen Wertesystem zu wirken, an den nurmehr leeren Hüllen Familie und Religion, unter deren Deckmantel die Verderbtheit der Menschen scheinbar gebändigt wird – die ihnen aber im Grunde nur die Möglichkeit geben, jene Verkommenheit zu leben, weil der Anschein auf den ersten Blick noch gewahrt bleibt.



3. Der beste Moment:


Wenn sich die Ereignisse zuspitzen und Killer Joe der Familie Smith zeigt, wo der Hammer hängt. Klare Regeln, messerscharfe Logik, harte Entscheidungen.


4. Diese Menschen mögen diesen Film:


Wer gern an Chicken Wings knabbert, während er das Vice Magazine liest.


* Regie: William Friedkin
* imdb
* ab 2. November auf DVD erhältlich

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https://blogs.taz.de/popblog/2012/11/08/killer-joe-regie-william-friedkin/

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kommentare

  • Das war ja mal ein total wertvoller Kommentar, nachgebloggt. Nachdem ich den ersten Satz gelesen hatte, wollte ich eigentlich aufhören, weil so ja eigentlich keiner schreibt. Kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen. Aber dann entwickelte sich der Kommentar. Wenn auch, ehrlich gesagt, ziemlich blödsinnig. Aber im Ernst: Total interessant, was Du so schreibst.

  • Ein wirklich seltsamer Film. Nach den ersten 10 Minuten wollte ich den Film erst ausmachen, denn ich fand den ehrlich gesagt bis dahin ziemlich blödsinnig. Gina Gershon begrüßt ihren Stiefsohn an der Trailertür halb nackt und er beschimpft sie, der Vater kommt raus und wird auch beschimpft. Irgendwie total unrealistisch, so geht kein Mensch mit seinen Eltern um, ich kann mir das zumindest nicht vorstellen. Dennoch hatte ich den Film angelassen und er entwickelte sich. Trotzdem ging mit die Figur des Sohnes total auf die Nerven. Umso besser waren zum Ende Gina Gershon und Juno Temple. Letztere sieht zudem noch total sexy aus und alleine dafür lohnt es sich den Film zu schauen. Aber im Ernst, im letzten Drittel entwickelt der Film sein volles Potenzial und wird zum richtig guten Psychothriller mit überraschendem Ende.

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