vonChristian Ihle 11.01.2013

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Samstag, 12.01.

Soul Kitchen, B3, 22.00.


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Als hätte Fatih Akin zeigen wollen: Ey, Alter, ich kann’s auch locker. Nachdem „Gegen die Wand“ und vor allem „Auf der anderen Seite“ ziemlich harte Brocken waren, zauberte er als nächsten Film „Soul Kitchen“ hervor – ein irre beschwingter, luftiger, unverschämt gut gelaunter Hamburg-Film, den nicht mal die Kiezverbrecherkarikatur von Moritz Bleibtreu kaputt machen kann. Gude Laune!



Alternative: Sturm, EinsFestival, 23.25

Hans-Christian Schmids gelungenes Justizdrama über den Balkankrieg. Mit eigens für den Film geschriebenem Soundtrack von Notwist.



Sonntag, 13.01.

Der Ghostwriter, Pro7, 20.15


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=L_AerBW0EcI[/youtube]


Als Polanski mit „Der Pianist“ 2002 den Oscar gewonnen hatte, dachte man, die Rennaissance des Großmeisters der 70er hat begonnen. Doch in den acht Jahren zwischen „Pianist“ und „Ghostwriter“ konnte Polanski nur einen einzigen Film auf die Beine stellen, der auch noch ziemlich unterging. Umso schöner – persönliche Verfehlungen aside – Polanski nun mit „Ghostwriter“ (und dem ein Jahr später folgenden „Gott des Gemetzels“) wieder vollbeschäftigt zu sehen. „Ghostwriter“ ist ein herrlich altmodischer Politthriller, ein Anti-Bourne. Eine Wackelkamera wird man hier nicht finden, dafür die schönsten Aufnahmen von Martha’s Vineyard, die man seit langem gesehen hat.



Alternative: Golden Globe Awards 2013, Pro7, 2.00

Leider müssen wir dieses Jahr auf den großen Ricky Gervais verzichten – aber „30 Rock“s Tina Fey wird, wenn auch sicher nicht so scharfzüngig wie Ricky, trotzdem für mehr Unterhaltung sorgen als das beim großen Bruder Oscar jedes Jahr der Fall ist.

Montag, 14.01.

Die amerkanische Nacht, arte, 20.15


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Francois Truffauts Film-im-Film-Klassiker, der von der Entstehung des fiktiven Films „Je vous présente Pamela“ erzählt und als Liebeserklärung des Nouvelle-Vague-Ikonoklasten an das klassische Kino gilt: „Eine auf den ersten Blick leichtgewichtige, tatsächlich jedoch mit großer stilistischer Virtuosität gestaltete Liebeserklärung an das Filmemachen und an die Welt des Kinos, wobei die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit zuweilen verwischen“, wie das Lexikon des internationalen Films meint. Für ein Kuriosum ist „Eine amerikanische Nacht“ zudem verantwortlich, war Truffauts Werk doch zwei Jahre in Folge (!) für den Oscar nominiert (1974 für den besten fremdsprachigen Film, 1975 dann für beste Regie und bestes Drehbuch sowie beste Nebendarstellerin. Gewonnen hat er den 74er Preis, übrigens).



Alternative: Auf der Todesliste, ZDF, 22.15

Fußballikone Eric Cantona hat sich in der Zwischenzeit zum richtigen Schauspieler gemausert – und zwar nicht nur als sich selbst spielendes Cameo wie in Ken Loachs „Looking For Eric“, sondern zum Beispiel in diesem französischen Thriller als Cop. An Cantona liegt es nicht, dass der Film gegen Ende etwas wirr wirkt und an Wucht verliert.


Dienstag, 15.01.

Banksy – Exit Through The Gift Shop, B3, 22.45


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Banksys gradiose Sezierung des Kunstmarktes – und kurze Geschichte der Streetart. „Exit through the gift shop“ ist in zwei Parts aufgeteilt, die erste Hälfte erzählt von den Bemühungen eines französischen Dokumentarfilmers, den Streetart- und Graffiti-Künstlern ein filmisches Denkmal zu setzen – was jedoch fürchterlich schief geht. So schief, dass Banksy die Sache selbst in die Hand nimmt und aus dem Material des Franzosen einen eigenen Film dreht, gleichzeitig den Ex-Doku-Filmer aber selbst zum Graffitikünstler macht und zu einer Art Banksy-Kopie stilisiert und so den Kunstmarkt in Aufregung versetzt. Dass Banksy jenen „Mr Brainwash“ aber in erster Linie als Parodie angelegt hat, um dem Kunstmarkt seine eigenen Mechanismen vor Augen zu führen, wird dann doch recht schnell klar. Was allerdings nie klar wird: was hier überhaupt echt ist, was fake, was erfunden, was Fiktion. Das tut dem Film aber in keiner Weise einen Abbruch, sondern kann im Gegenteil nur als weiterer Kommentar zur Authentizität von Kunst und der Frage der Eigenständigkeit von Kunstwerk bzw. ihrer unauflösbaren Verbindung zum schaffenden Künstler gesehen werden.
Wem das zu kompliziert klingt – keine Bange! „Exit“ ist zudem ungemein amüsant, frisch, schnell und laut Banksys eigenen Worten mit dieser Ambition gedreht worden: “My ambition was to make a film that would do for graffiti art what ‘Karate Kid’ did for martial arts. A film that would get every school kid in the world picking up a spray can and having a go. As it turns out, i think we might have made a film that does for street art what ‘Jaws’ did for water sking“.



Alternative: Obsession, 3sat, 0.55

Bevor Heike Makatsch ihr Glück mit dem Ex-Drummer von Tomte gefunden hat, war sie ja, wie man heute gerne mal vergisst, Miss James Bond. Doch Mitte der 90er war auch die James Bond -Rolle für Daniel Craig noch meilenweit entfernt, so dass beide hier, im Jahr 1997, in einem schwermütigen Liebesdrama Seit‘ an Seit‘ spielten.



Mittwoch, 16.01

Musik als Waffe, ZDF, 0.50


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Die deutsche Dokumentation, die sich mit dem Einsatz von Musik im Krieg zur Folter beschäftigt, war ein überraschender Gewinner bei der letztjährigen Emmy-Verleihung, des prestigeträchtigsten Preises im Fernsehbusiness – auch wenn in der internationalen Kategorie der Sieg davon getragen wurde (vergleichbar mit „Bester Film“ vs. „Bester fremdsprachiger Film“ bei der Oscar-Verleihung, von der Wertigkeit her betrachtet).



Alterntive: Poll, arte, 20.15

Episches deutsches Breitwandkino, das im Rückblick doch erstaunlich lautlos im Kino unterging.



Donnerstag, 17.01.
Reservoir Dogs, WDR, 23.15


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Bevor Quentin Tarantino ab nächster Woche wieder im Kino beweist, dass er der wohl einzige Regisseur derzeit ist, der gleichermaßen Hollywood, Popcornkino, Exploitation, Filmklassiker und Nerdtum vereinen kann und dabei keinen einzigen verdammten Schritt falsch setzt, hier ein willkommener Blick zurück, ganz an den Anfang, als QT noch der Verrückte aus der Videothek war und Harvey Keitel überredete, in seinem Debütfilm mitzuspielen. Der Rest war Geschichte und die 90er auf immer verändert. Die Fingerübung vor dem endgültigen Statement „Pulp Fiction“, aber schon mit allen Zutaten, die den Folgefilm zum popkulturellen Erdbeben machen sollte. Muss man mindestens einmal gesehen haben – und kann man auch nie zu oft schauen!



Alterntive: Das Fest, ZDFkultur, 0.55

Die Dogma-Bewegung mag ebenso sehr ein genialer Marketing-Coup wie eine situationistische Idee gewesen sein, doch zumindest in „Das Fest“ hat Thomas Vinterberg dem Kino dank all der Dogma-Ästhetik ein ewiges Meisterwerk geschenkt. Weniger aufgeregt als die Filme seines Kollegen Lars von Trier, aber mit mindestens der gleichen Wucht. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass Vinterberg unfassbare 29 Jahre jung war, als er mit Das Fest den großen Preis in Cannes gewonnen hatte, kann man – bei allen guten Filmen, die er danach noch gedreht hat („It’s All About Love“, „Dear Wendy“) trotzdem nicht umhin kommen, dass hier ein sagenhaftes Talent viel zu wenig geleuchtet hat in den Folgejahren.


Freitag, 18.01.

X-Men 2, Pro7, 20.15





In der X-Men-Serie sind mit die besten Comicverfilmungen überhaupt entstanden, auch wenn in Deutschland der Ruhm nie so richtig ankam – was wohl daran liegt, dass auch die Vorlage hierzulande nie die Bekanntheit von Batman oder Spider-Man erreicht hat. X-Men-Filme sind immer politisch, da ihr Kern grundsätzlich das Verhandeln von Toleranz gegenüber dem „Anderen“ ist. Die – von der Gesellschaft kritisch beäugten – Mutanten stehen immer als Symbol für jede andere denkbare Minderheit, die von der Majorität als Gefährdung ihres Lebensstils wahrgenommen wird. Wie hier die society gegen die X-Men wettert, so schießt Sarrazin auf das Fremde.



Alternative: The Ring , Pro7, 1.00

Das amerikanische Remake von „Ringu“ ist ein seltener Fall: eine Hollywood-Neuverfilmung, die im Vergleich zum Original nicht wirklich verliert. „The Ring“ hat sicher andere Vorzüge, ist effizienter, mehr auf den Schockmoment als auf die Gruselatmosphäre ausgerichtet und verliert ein wenig den japanischen Langmut, der die dortigen Ghost Stories immer wieder in für uns Westler rätselhafte Weise beherrscht. Aber ein sehenswerter, sehr kompetenter Schocker – und mit Naomi Watts.

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