vonChristian Ihle 22.03.2013

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„Die eigentliche Echo-Verleihung, eine der größten europäischen Pop-Award-Galas, die über dreistündige Veranstaltung, die vor der Aftershow kommt – sie fühlt sich rückblickend oft an wie ein besonders unangenehmer Zahnarzttermin. Die Feier hinterher, im Palais am Berliner Funkturm, ist nur deshalb so ausgelassen, weil alle so wahnsinnig froh sind, dass sie es für dieses Jahr wieder hinter sich haben.

Beim Echo kommen all die Figuren zur großen Show zusammen, die man entweder noch nie leiden konnte oder schon beim ersten Anblick nicht erträgt. Denen man schon gar keinen Preis gönnen würde. Spätestens dann erklärt einem irgendwer, dass der Echo ja ein Award der Musikindustrie ist, bei dem es nur auf Umsatzzahlen ankommt und nicht auf künstlerische Qualität. Anschließend besaufen sich die Teilnehmer und ihre rund 3000 Gäste, die Zuschauer regen sich noch ein bisschen auf. Und am nächsten Tag ist alles vergessen.
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Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, Lena Meyer-Landrut wäre auf irgendwelchen sehr seltsamen Drogen hängengeblieben. Wie sie nach Empfang des lumpigen Video-Awards in Tränen ausbrach und später völlig hysterisch Frida Gold ansagte, das war keiner dieser großen, emotionalen Momente. Sondern gruselig.
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Til Schweiger ist, was Eigen-PR angeht, der schmerzfreiste Mensch der Welt. Als er auf die Bühne kam, um Linkin Park den Award zu überreichen, hielt er allen Ernstes die DVD seines Films „Schutzengel“ in die Kameras. Ihm graut vor nichts.
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Die Rolling Stones sind eine Alternative-Rockband. In der Kategorie waren sie jedenfalls nominiert.
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Sogar einen Auftritt echter Rock’n’Roll-Götter kann man in den Sand setzen. Mit Jimmy Page und John Paul Jones von der legendären Hardrockband Led Zeppelin waren zwei absolute Großmeister in Berlin zu Gast – und wen wählte die Regie als Laudator? Campino, der als ehemaliger Punk natürlich zeitlebens alle Ideale bekämpfte, die Brusthaar-Hedonisten wie Jimmy Page verkörperten. In seiner Rede ließ er dann auch nicht aus, dass er Led Zeppelin lange Zeit nur gehört habe, weil ein nerviger Busfahrer keine bessere Musik dabei hatte. Traurig.
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Für echte Debatten ist beim Echo gar kein Platz. Viele Schlagzeilen hatte es gegeben, weil diverse Bands gegen die Nominierung der rechtskonservativen Gruppe Frei.Wild protestiert hatten. Zwei sagten deshalb sogar die Echo-Teilnahme ab, woraufhin die Veranstalter Frei.Wild wieder ausluden. Vor der Tür der Berliner Messehallen demonstrierte die NPD – und im Saal gab es kein einziges Wort dazu. Schlimmer: Auch die Namen der Widerständler wurden aus dem Programm gestrichen. Was hätte es geschadet, das Problem kurz zu beleuchten? Warum hat keiner der vielen, vielen Redner den Mund aufgemacht? Die Chance, beim Echo ein Zeichen gegen Fremdenhass und ranzigen Nationalismus zu setzen, wurde so kläglich vertan, dass man es kaum fassen mag.“



(Joachim Hentschel im Yahoo TV Blog)


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