vonChristian Ihle 28.04.2013

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Samstag, 27.04.

Lucky Number Slevin, Pro7, 22.40





Ein Nachzügler! Während die Mitt90er ja voll waren mit „coolen“ Gangster-Filmen und Tarantino so für einiges Gutes und auch viel Schund verantwortlich zu machen war, ist ein Jahrzehnt später diese Welle abgeflaut und selbst Tarantino-Jünger Guy Ritchie hat versucht, andere Filme zu drehen. „Lucky Number Slevin“ dagegen passt in dieses Genre der Tarantino-Kopien, ohne natürlich dessen Tiefgang zu besitzen. Dennoch: starbesetzt (Bruce Willis, Josh Hartnett, Ben Kingsley) und flott. Nette Unterhaltung.


Alternative: About Kate, arte, 23.50


Ein Social-Media-Serien-Experiment auf arte. Das könnte jetzt so oder so ausgehen, aber da die Facebook-Seite der fiktiven Kate von Geschmackssicherheit zeugt, geben wir mal den benefit of doubt und schauen rein.


Sonntag, 21.04.
Brennende Langeweile – Bored Teenagers, ZDF kultur, 23.30





Ein vergessenes Goldstück des heimischen DIY-Films. Erstaunlich früh für hiesige Verhältnisse hatte der deutsche Regisseur Wolfgang Büld die gesellschaftsumwälzende Kraft des Punk Rock entdeckt und Ende der 70er einige Punkfilme gedreht. „Brennende Langeweile“ erzählt die Geschichte eines jungen Pärchens, das auf die (reale) britische Punkband The Adverts trifft (Hammerhits: No Time To Be 21, Gary Gilmore’s Eyes). Schöne Konzertaufnahmen, eine wunderbare Ungeschliffenheit und, ja, eine gemeinsame Schwebebahnfahrt durch Wuppertal mit den jungen Punks machen „Brennende Langeweile“ zu einem wirklich sehenswerten kleinen Film.


Alternative: Kiss Kiss Bang Bang, SWR, 22.45


Eine schwarzhumorige Variante eines Film Noir und die offizelle Wiedergeburt von Robert Downey Jr, der nach einigen Drogenproblemen zwischenzeitlich zur persona non grata in Hollywood geworden war. Doch Kiss Kiss Bang Bang schön coen-esque Eskalationskaskade war der Start für eine zweite Karriere, die Downey nun bis in “Avengers” – Höhen geführt hat.


Montag, 29.04.

Der Anschlag, ZDF, 22.15


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Ein gut gemachter, sehr professioneller Politthriller mit Ben Affleck und Morgen Freeman, eine Verfilmung von Tom Clancys „Das Echo aller Furcht“ – und somit indirekter Nachfolger der Harrison Ford – Thriller wie „Stunde der Patrioten“.


Alternative: Wolke 9, arte, 20.15


Ein Skandal: alte Menschen und der Sex. Andreas Dresen arbeitet sich auch hier wieder vielgerühmt am Thema Älterwerden und Tod ab.


Dienstag, 23.04.

Waltz With Bashir, 3sat, 22.25






Der israelische Zeichentrickfilm ist nicht nur technisch beeindruckend, er schafft es auch, Bilder vom Grauen des Krieges zu finden, die man so noch nie gesehen hat – und nutzt den größeren visuellen Spielraum der Zeichnungen im Vergleich zum Realbild zu seinen Gunsten aus. Hier wird der Wahnsinn des Krieges in psychedelisches Flimmern übersetzt, treibt die Musik die Kämpfer voran, findet Folman Bilder von grauenvoller Schönheit. Hinter all der offensichtlichen Kriegskritik findet sich in “Waltz With Bashir” aber auch eine Meditation über das eigene Erinnern und die zwangsläufige Subjektivität einer jeden Erinnerung. Ein ohne Abstriche gelungener Film.



Alternative: Sons Of Anarchy, Kabel1, 23.10


Der Start der 3. Staffel, die leider nicht auf dem Niveau der beiden vorhergehenden Seasons ist und die Sons Of Anarchy nach Irland bringt.


Mittwoch, 1. Mai.

Hurt Locker, RTL, 0.00





Mit Oscars werden ja normalerweise eher die großen Epen ausgezeichnet, die fantasievollen Schilderungen. Deshalb war „Hurt Locker“ ein so sympathischer Gewinner: kühl, reduziert, ja beinah minimalistisch ist der Film über ein Bombenentschärfungskommando, das Jeremy Renner zum Star machte. Dass er auch noch von einer Frau gedreht wurde und Kathryn Bigelow so späten Ruhm nach frühen Glanztaten wie „Strange Days“ bescherte, war noch ungewöhnlicher – so traurig das auch ist, dass man das extra erwähnen muss.



Alternative: Pop around the clock, 3sat, ab 5.10


3sat feiert wieder seinen Musiktag: 24 Stunden nur Konzerte!


Donnerstag, 2.5.

Lethal Weapon 2, vox, 22.20


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Neben der Mad Max – Reihe sind die Lethal Weapon – Filme dafür verantworlich, dass Mel Gibson in den 80ern so ein großer Blockbuster-Star geworden ist. Lethal Weapon 2 ist dabei der beste der Reihe, ein klassischer Action-Buddy-Thriller mit Humorspurenelementen.

Freitag, 3.5.

Knallhart, EinsFestival, 20.15





Detlev Buck auf Abwegen: weder knuddeliger Nordhumor noch Starvehikel, sondern ein kleiner, eher dreckiger Film über eine Jugend in Neukölln. Sprungbrett für David Kross, der danach im „Vorleser“ an der Seite von Kate Winslet spielen durfte.


Alterntive: Tatort: Im Abseits, ARD, 22.00


Eine Legende der modernen Tatort-Geschichte: der Werbe-Tatort für die Frauenweltmeisterschaft 2011, besetzt unter anderem mit dem original DFB-Präsident und Spielerinnen. Ich verweise hierzu auf die damalige Schmähkritik-Folge:

„Etwas Schlimmeres hat man lange nicht gesehen: Der Ludwigshafener Event-PR-Gemache-„Tatort“ steht die ganze Zeit da, wo sein Titel ihn hinstellt – „Im Abseits“.
(…) so hölzern wie der real existierende DFB-Boss hat noch kaum ein Telefonteilnehmer eine Todesbotschaft entgegen genommen, und fast wünschte man, als Zwanziger an die versammelte Tischrunde tritt und „Fadime ist tot“ sagt, Herbert Reinecker hätte diese Folge noch schreiben können – dann hätten die um Bestürzung bemühten Bierhoff und Löw wenigstens antworten können: „Tot?“
(…)
Die Trainerin spricht derweil zu und über ihre Spielerinnen, die Gefahr laufen „zu der“ (sicest!) amerikanischen Profiliga zu wechseln, in Sätzen, für die sie am DSF-Fußballstammtisch samt Phrasenschwein „dereinst“ (Thomas Mann) arm geworden wäre („Das Spiel lief an ihr vorbei“).

Drehbuchautor Jürgen Werner agiert wie ein Heckenschütze auf gesellschaftlicher Problemwildjagd: Draufhalten, Treffer. (…) Werners Drehbuch macht eine Schwalbe nach der anderen und pfeift sich selbst danach Elfmeter. Es ist zum Heulen. Denn: Was fällt Werner zu Frauenfußball ein? Richtig, Sexyness und Migrantentöchter. Und was fällt Werner zu Migrantentöchtern ein? Richtig, Ehrenmorde.

Werner ballert durch die deutsche Wirklichkeit, als handelte es sich um eine Thilo-Sarrazin-Diktatur, in der unter Androhung von lebenslänglichem Heizungabdrehen-bei-gleichzeitigem-Pulloverentzug immer nur alles mit allem kurzgeschlossen werden darf. (…) Kopper (Andreas Hoppe), der schon in der Vergangenheit als hoffnungslos zurückgebliebener, dafür aber selbstgewisser Modernisierungsverlierer auf sich aufmerksam gemacht hatte, läuft in diesem diskursiven Hauen und Stechen zu Hochform auf („Ich bin kein Rassist, aber“) und zeigt jovial seine eigene Westliche-Werte-Überlegenheit vor: „Wir haben Gesetze in diesem Land, an die muss sich halten, egal welche Hautfarbe oder Glauben er hat.“ Das haben Grundgesetz, BGB und StVO doch alles nicht verdient.“

(Matthias Dell in Der Freitag)

auch Alexander Gorkow in der Süddeutsche Zeitung war wenig erbaut:

„Frauenfußball, ein Mord an einer türkischen Spielerin, schlechte Dialoge und dann auch noch ein Auftritt der Theater AG des DFB – der „Tatort“ mit Kommissarin Lena Odenthal gerät zu einem regelrecht hirnverbrannten Event. (…)

Ulrike Folkerts redet im Presseheft von der Vorherrschaft der Männer im Fußball und davon, dass eine Quote aus Brüssel auch hier „eine schöne Idee“ wäre. (Hä? Gemischtgeschlechtlich? Unterlasse Sie die Vertraulichkeiten!) Auch verrät sie, dass DFB-Präsident Theo Zwanziger bei Kaffee und Kuchen die Idee zu diesem Tatort hatte. Und dann wird das gleich mal umgesetzt? Seid ihr noch dicht?

Zur Strafe erhält Zwanziger einen Gastauftritt in diesem ARD-Beitrag zur Frauen-WM, gemeinsam mit Löw, Bierhoff und Steffi Jones. Dieser Gruß der Theater AG des DFB gehört zum Peinlichsten in der Geschichte der Sendereihe. Ohne die Laienspielschar wäre die Folge nur verschwitzt und normalsehrschlecht – so aber gerät sie zum regelrecht hirnverbrannten Event. Irre, diese Selbstauslieferung an die Mätzchenhaftigkeit, das alles von Filmleuten, die nicht einen guten Dialog in 90 Minuten zustande bringen. Eine quotenstarke Totalkapitulation.“

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