vonChristian Ihle 21.08.2013

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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1. Die Serie in einem Satz:


Wie das amerikanische Polit-Fernsehen aussehen könnte, wenn ein Mann mit den moralischen Standards von Jon Stewart (humorfreie) Nachrichtensendungen leiten würde.


2. Darum geht‘s:


Der (fiktive) Nachrichtensprecher Will McAvoy ist eine der politisch einflussreichsten Medienfiguren im US-Fernsehen, nicht zuletzt deshalb, weil er gute Quoten bringt und seine Inhalte danach ausrichtet, diese guten Quoten zu bekommen.

Doch durch eine neue, idealistische Redaktionsleiterin (und Ex-Freundin) wird sein lange verschütteter Kampfgeist geweckt, und McAvoy nutzt seine Position nicht mehr, um in erster Linie zu gefallen, sondern um aufzuwecken und aufzuzeigen, was faul ist im Staate Amerika.

Der bekennende Republikaner wird in der stark polarisierten politischen Welt der USA zu einem Sonderling: einem offenen Kämpfer für ein besseres Amerika, für moralisch-ethische, durchaus auch konservative Grundwerte und zuletzt gar zu einem wütendem Bekämpfer der politischen Scharlatane und im Besonderen der Tea Party.

„Newsroom“-Erfinder Aaron Sorkin gilt als der große Erneuerer der amerikanischen Politserie seit er mit „West Wing“ Standards setzte und hat auch im Kino mit den Drehbüchern zu „Der Krieg des Charlie Wilson“ und vor allem dem brillanten „Social Network“ für Aufsehen gesorgt.

Kein Wunder also, dass die Erwartungen an „The Newsroom“ groß waren und das Sorkin’sche Trademark, schnelle, intelligente, messerscharfe Dialoge, findet sich auch in seiner neuen TV-Serie wieder. Aber, so unterhaltsam „The Newsroom“ auch ist, diesmal springt Sorkin zu kurz.

Stärken und Schwächen des Programms kann man schön in der bemerkenswerten Eröffnungssequenz der ersten Folge erkennen, in der McAvoys Wandlung vom quotenhurigen Saulus zum Paulus-Kämpfer für das Wahre und Gute bereits vorgezeichnet wird:


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=4MYjyLg8bbo[/youtube]

Pathos mischt sich hier mit scharfer Analyse, flotte (und, zugegeben, unglaubwürdig gute) Dialogzeilen mit platter Rhetorik.
Ärgerlich wird „The Newsroom“ vor allem dann, wenn Sorkin nicht nur die politische Landschaft Amerikas kritisiert, sondern gleich noch zur großen Medienschelte ansetzt und zwischen guten Journalisten und miesen Schreiberlingen teilt, die Celebrity-Kultur verdammt und den Boulevard-Journalismus anklagt. Alles schön, richtig und gut – aber ist es dann konsequent, die eigene Serie mit Pseudoproblemen auf Beziehungsebene der Protagonisten „aufzupeppen“ und dramatische News-Entwicklungen mit Coldplay-Balladen zu unterlegen?

Zudem spielt „Newsroom“ mit einem weiteren Element, das Stärke und Schwäche zugleich ist: wir befinden uns nicht in einem luftleeren politischen Raum, sondern arbeiten uns an realen Personen, wirklichen Ereignissen ab. Das ist einerseits höchstinteressant, wenn die Serie so über die Entwicklung und den Background der Tea Party, den arabischen Frühling oder die Öko-Katastrophe durch Deepwater Horizon berichtet. Andererseits schwingt auch immer das Besserwissen der Retrospektive mit – denn mit dem Abstand von ein, zwei Jahren ist es natürlich leicht, für Sorkin das Richtig und Falsch zu beurteilen, aber es erweckt ein unangenehmes, schmieriges Gefühl, wenn er Will McAvoy alles schon in der Sekunde des Entstehens richtig beurteilen lässt.


So ist „The Newsroom“ ohne Frage ziemlich unterhaltsames, in Teilen gar lehrreiches Polit-Fernsehen, aber auch klares „preaching to the converted“ und mit zu vielen Gimmicks versehen als dass man Sorkin kritiklos folgen möchte.


Letztenendes gutes Fernsehen, aber zu wenig für Sorkins Standards.



3. Diese Menschen mögen die Serie:


Wer fiktionales Polit-/Medien-Fernsehen schätzt, das fest in der Wirklichkeit verankert ist und sich nicht daran stört, dass hier mit missionarischem Eifer für das Gute, Wahre, Richtige gekämpft wird.



3. Der beste Moment:


Für einige Verblüffung sorgt eine Szene, in der ein Whistleblower die Machenschaften der NSA aufdeckt – und zwar Monate vor den realen Snowden-Enthüllungen. Vielleicht sollte man Aaron Sorkin doch mehr Gehört schenken…


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=JJgCy5xH2FA[/youtube]


5. Für & Wider:


Pro:
– unterhaltsam aufbereites Politfernsehen, das Einblicke in die US-Medienkultur gibt
– eine gewisse Scharfzüngigkeit in den flotten Dialogen
– in Teilen gar lehrreich, wie hier wissenswerte Hintergründe zu Themen wie der Tea Party vermittelt werden
– die britische Hauptdarstellerin Emily Mortimer (als Chefredakteurin MacKenzie McHale), John Gallagher Jr und Olivia Munn als Höhepunkte in der Besetzung


Contra:
– eine US-Serie über die guten Kernwerte in Amerika kommt natürlich nicht ohne ordentliches Pathos aus
– eine gewisse Bigotterie bleibt hinsichtlich der Medienschelte einerseits und der verwendeten Gimmicks andererseits ist durchaus zu vermerken
– Sam Waterson als Senderchef Charlie Skinner chargiert an einer Parodie des scotchtrinkenden alten Medienhase entlang



6. Bewertung:


zwischen 6 und 7 / 10



* Entwickelt von: Aaron Sorkin
* imdb

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https://blogs.taz.de/popblog/2013/08/21/neue-tv-serien-the-newsroom-von-aaron-sorkin/

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