MGMT – MGMT
Wer:
Missverstandene Psych-Pop-Slacker aus Amerika, die mit dem Synthie-Stampfer „Kids“ ein Generationslied geschrieben haben und ab dann von ihrer Plattenfirma offensichtlich als neuer Mega-Act gedacht wurden. Blöd nur, dass MGMT lieber die chronisch erfolgslosen Television Personalities verehren und ganz in deren Auftrag handeln.
Bisherige Glanzleistung:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=B9dSYgd5Elk[/youtube]
Jetzt:
Hört man dass dritte Album von MGMT kommt es einem beinah lachhaft vor, dass die Sammlung hübscher Indiepop-Perlen, die noch Album Nummer Zwei bestimmten, damals vom Raunen ihrer Plattenfirma begleitet war, MGMT würden „kommerziellen Selbstmord“ begehen. Denn so vertrackt der eine oder andere Song auf „Congratulations“ auch gewesen sein mag, er war eben immer von einem Händchen für die Melodie geleitet und MGMT schämten sich nicht, die auch auszustellen. Auf dem programmatisch selbstbetitelten dritten Album dagegen scheren sich MGMT nun überhaupt nicht mehr um ihre Plattenfirma – aber leider auch nicht um ihre Hörer. Was hier noch an Melodien vorhanden ist, wird in einem Gemisch aus Störgeräuschen unterpflügt, zerstört, niedergemacht. Ich will hier nicht den wertekonservativen Verfechter der Melodieseligkeit geben und kann durchaus einen derart nihilistischen Ansatz wertschätzen, nur klingen die Lieder auf „MGMT“ nach Outtakes, nicht fertiggestellten Songskizzen, ja, im Ende nach lazy songwriting.
Syd Barretts Soloalben sind sicher die Hauptreferenz neben der mittleren Psych-Pop-Phase der Television Personalities. Im Gegensatz zu TVPs Dan Treacy fehlt es aber MGMT auch an den Texten, die diese Dudeleien zu mehr als einem Kuriosum machen.
Wertung: 4/10
Höhepunkt:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=6mWKCoHZpc4[/youtube]
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The Julie Ruin – Run Fast
Wer:
Nach langer, auch krankheitsbedingter Pause ist The Julie Ruin die Rückkehr von Kathleen Hanna, der Begründerin des Riot Grrrl – Movements mit Bikini Kill, die später mit Le Tigre schon einmal bewiesen hat, dass sie komplette Neustarts „kann“.
„The Julie Ruin“ ist übrigens nicht ident mit „Julie Ruin“, der Zwischenband Hannas von Bikini Kill zu Le Tigre.
Bisherige Glanzleistung:
Vieles, aber unzerstörbar sicher „Deceptacon“, ein Biest von einem Song:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=EU1CDSP7FRk[/youtube]
Jetzt:
Wüsste man nicht, dass The Julie Ruin von Kathleen Hanna ist, wären zwei Reaktionen wohl zu erwarten: erstens Begeisterung darüber, dass jemand das Erbe von Le Tigre antritt, denn The Julie Ruin knüpft klar an ihre Ex-Band an, sind die Songs doch vom überaktionistischen Rhythmus bestimmt, aber im Gegensatz zu Le Tigre deutlich rockband-klassischer instrumentiert. Doch zudem würde man nie im Leben glauben, dass The Julie Ruin die Band einer 45jährigen Punkikone ist, die neun Jahre (!) Musikpause eingelegt hat. Denn Hannas neue Platte klingt dermaßen wild, frisch und im besten Sinne hysterisch, dass sie nicht nur ehemaligen Kolleginnen wie Courtney Love beschämt, sondern gleich auch noch alle Generationen nach ihr in den Schatten stellt. Ein phänomenales Comeback.
Wertung: 8/10
Höhepunkt:
Viele, hervorzuheben vielleicht „Party City“ oder „Oh Come On“
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=hEltsPb8M6Q[/youtube]
und ich, lieber christian, bedanke mich für deine ausführliche antwort, und nehme gerne an, was du über die rückkehr der „punkikone“ an sich schreibst!
allerdings war das in meinem kommentar auch nur sehr nebensächlich bemerkt und ich hatte dir ja in dem selben zusammenhang auch gesagt dass ich mich freue, dass du das album von julie ruin featurest.
Aber wo wir jetzt schon mal beim Diskutieren sind: Courtney Love hatte von Anfang an einen anderen Songwriting-Ansatz als Kathleen Hanna. Sie hatte schon immer ein ausgefeilteres Songwriting. Und war wie ich neulich selbst erstaunt gelesen habe, z.B. an dem California Sound einer Fleetwood Mac / Stevie Nicks orientiert.
Aber Geschmack beiseite: du hast offen gestanden kaum ein Recht darauf zu beurteilen ob Courtney Loves großartige letzte Alben nun glatt sind oder nicht. Du kannst natürlich sagen „es gefällt mir nicht mir ist das zu glatt“ das ist dein gutes Recht als Kritiker. Aber du schreibst es so als wäre es eine Tatsache nur weil du es so HÖRST.
Es ist ein Unterschied ob man in einer durch und durch patriarchalen Welt wie der Rockkultur als Frau so einen Song singt wie z.B. „Letter to god“ oder eben alle Songs von „Nobodys Daughter“ oder als Mann. (schon mal über den Unterschied in den Zuschreibungen, Erfolgsaussichten, Rollenerwartungen usw von „weiblichem“ und „männlichem“ Rebell nachgedacht? )Du findest Love ja offenbar auch zu krass und kaschierst es mit einem mir zu „mainstream.“ Mainstream, Courtney Love, echt????
Diese Frau hatte eine weltweite mediale an „Hexenjagd“ gemahndende Tortur hinter sich und wird immer noch von fast allen männlichen Musikkritikern ignoriert verharmlost in ihrem Talent oder dämonisiert. Und hat trotzdem eine gute Platte nach der anderen gemacht. Hörs dir doch nochmal an!! Und zwar ohne Vorurteile bitte. Wenn ein Künstler beschließt ein Album „mainstreamiger“ zu produzieren ist das noch lange kein Mainstream, jedenfalls nicht der Welt von Courtney Love, verstehst du?
Was ich sagen will ist: Eine Poprezeption ohne die sozialen Hintergründe zu beleuchten ohne Unterdrückungsformen wie Rassismus, Sexismus, Klassismus, Homophobie etc mitzudenken, geht nicht. Du kannst als weißer (wenn ich das mal unterstellen darf. bin ich auch, weiß) Mann, der zu 95 % immer nur über männliche Musiker schreibt, wie ich den herausgehobenen Tags entnehme, die deinen Blog „bewerben“ ,und sich keinerlei Mühe macht (sorry, da wirst du mir jetzt widersprechen ja, ich weiß schon du bist ein Guter, Indietyp, außergewöhnliche Musik und so… dadurch stehst du aber noch lange nicht am Rande der Gesellschaft…hast du auch nicht behauptet, ja, ich weiß…) die hundertausend guten weiblichen Musiker zu entdecken, die es da draußen zu entdecken gibt, überhaupt nicht beurteilen, wie krass oder glatt eine Courtney Love Platte ist!! , weil du den patrarchalischen Resonanzraum in den sowas fällt; weil du die Erfahrungen, die Frauen machen, doch eh nicht mitdenkst! Ich werfe dir ja nicht vor dass du diese Erfahrungen nicht machst sondern dass du dich da nicht hineinfällt. Das zeigt mir deine Antwort nämlich auch. Zuerst fast nur Männer featuren und wenn man dann darauf angesprochen wird, so geschlechtsneutral „objektiv“ tun. Hatte doch gar nichts mit Geschlecht zu tun… Sagt deine Antwort! Und so antworten so Typen wie du, die weibliche Meinungsvielfalt unterdrücken ohne es zu merken, nämlich immer. Nämlich genau DAVON handet übrigens das Lied „Oh C`mon“ von Julie Ruin. Was du mir antwortest ist: „Oh C`mon“
nd bitte komm mir jetzt nicht mit: ist doch alles nur Musik. Wenn alles nur Musik ist, warum schreibst du dann zu 95% nur über männliche Musiker (und rechne mir jetzt bitte nicht die fünf Ausnahmen vor, die sind miteinkalkuiert ins Patriarchat).
Das Wort „beschämen“ in dem Zusammenhang deines Artikels war einfach falsch. Du hast den Punkt meiner Kritik nicht kapiert, vergleiche gerne so viele Musiker u Musikerinnen miteinander, wie du willst das ist ein zulässiges Mittel in der Beschreibung von Musik. Aber dann mach es richtig, und denke halt mit, dass Frauen in der Gesellschaft gegeneinander ausgespielt werden. Und schreib nicht, dass Kathleena Hanna, die eine Riot Girl Ikone, die andere Riot Girl Ikone „beschämt“ (CLove). Weil „beschämen“ eine der beschissensten kapitalistischen rassistischen patriarchalischen unterdrückungsmechanismen ist um Menschen zu unterdrücken. Und das ist „Oh C`mon“ nur kurz davor, hör dir das Lied mal genau an von The Julie Ruin, jajaja
Und schiebe das bitte nicht Kathleen Hanna in den Schuh, die will nämlich nicht Courtney Love „beschämen“. Sondern eine frische Punkplatte machen, wie du ja richtig bemerkt hast. Courtney Love ist eine „Rock-„Künstlerin und keine Punk-Künstlerin, und wenn sie „Ihre“ derbe wilde Platte macht (wie das Hole Comeback zeigte) dann KLINGT das eben anders und vielleicht auch geschliffener als wenn Kathleen Hanna „Ihre“ derbe wilde Platte macht – aber innerhalb der glattgebügelten Rockmusik dieser Tage immer noch so krass, dass die meisten Männer hierzulande, diese Krassheit anscheinend nur schwer verkraften. (in Amerika ist sie diesen Sommer unter großer Beliebtheit getourt und es stimmt nicht, dass ALLE sie nicht mehr gut finden, nur weil du und deine drei indiefreunde mit so krassen ladies noch nie was anfangen konnten).
Aber nichts für ungut, ich könnte mir vorstellen, dass du sehr staunst über diese Zeilen hier. Du findest es ungerecht und du findest dass ich Dinge verallgemeinere und du überlegst dir, woher ich das Recht nehme.
Sorry es ist die verkürzte Fassung von sehr viel feministischer Lektüre und Theorie (und Erfahrung im Bereich der soziokulturellen Erziehungsarbeit und natürlich auch persönlicher Erfahrung, die ich gemacht habe), die jetzt vielleicht hier etwas zu ruppig im Ton daherkommt, dafür entschuldige ich mich jetzt schon mal. Auch für das Schlampig heruntergetippte.
Aber es fällt mir immer wieder auf, dass ihr Musikjournalisten ein ziemlich großes und trauriges Defizit habt was feministische, antirassistische und postkolonialistische Kulturtheorie betrifft. Vielleicht mal nachholen? Dann würdest du auch wissen ,dass das „Beschämen“ von Frauen Teil einer politischen Debatte ist. Denn wie gesagt „Beschämen“ ist eine Herrschaftsstrategie um Frauen, Migrant_innen, Queers, People of Color, Trans* und eben auch Courtney Love mundtot zu machen. Einfach mal bisschen über den musikalischen Horizont des Postpunkrockers hinausschauen. Und danke nochmal für deine erfreulichen Props für die wunderbare Gruppe Julie Ruin. Immerhin ein Anfang!