„Bruce Springsteen kann doch nur lieben, wer sozialpolitisch naiv und musikalisch geschmacklos ist. Schon wieder ein neues Album: Wann nimmt dieses Genöle denn ein Ende?
Bruce Springsteen hat ein neues Album gemacht, High Hopes heißt es und ist so überraschend wie ein Langlaufurlaub. Dass die Platte ein Sammelsurium aus Coverversionen, aufpolierten Antiquitäten und Liegengebliebenem ist, muss man gar nicht wissen, man hört es gleich. So unverkennbar wie unerträglich ist hier derjenige am Werk, den sie aus unerfindlichen Gründen den Boss nennen.
Ein Springsteen-Fan ist treu und reibt sich angesichts dieses öligen Gestöhnes wohlig den Schmerbauch. Ehrliche Arbeit! Schweiß! Vier-vier-tel-takt! Ja! Aus den Lautsprechern fließt seit jeher ein Kleister, den selbst die teuren Boxen im zielgruppengerechten SUV nicht zum Guten filtern können. Musikalisch mit einem Fuß in der Steinzeit und dem anderen in einer überdimensionierten Mehrzweckhalle, wie Abzählreime aufs Mitgrölen hinkomponiert. „One two three four“ und dann alle zusammen und ganz laut! Akustisches Käsefondue.
Alles scheppert und ächzt, und wenn mal nicht ein überkandidelter Gospelchor oder ein gestauchtes Saxofon den Gehörgang verkleben, dann ist es neuerdings die Gitarre von Tom Morello. Ja, dem Tom Morello, der einst mit den Wutbürgern von Rage Against The Machine an amerikanischen Flaggen zündelte. Er unterlegt Springsteens käsiges Genörgel nun mit einem Brett aus wurstigen Mackersoli. (…)
Wieder und wieder kocht er sein Süppchen auf. Er ist ein bedingungsloser Sozialromantiker, die Rauhfasertapete unter den Stadionrockern – so verlässlich wie das alljährliche Dinner For One oder die State of the Union Address seines Buddies Barack Obama. Daran anschließen kann jeder, dessen Musikgeschmack nur ausreichend ruiniert ist. Und das sind viele. Die im Bibelschmalz getränkten Fahneneide sind simpel mitzuschwören. Gewerkschafter, Einwanderer, Demokraten, Volker Kauder, Tea-Party-Trottel, alle dürfen mitmachen, im Springsteen-T-Shirt (mit amerikanischer Flagge, klar) werden sie sich alle irgendwann im Nirvana treffen.
(Jan Kühnemund in der ZEIT)
Schmähkritik-Archiv:
* 500 Folgen Schmähkritik – Das Archiv (1): Musiker, Bands und Literaten
* 500 Folgen Schmähkritik – Das Archiv (2): Sport, Kunst, Film und Fernsehen
Das ist der niveauloseste und respektloseste Kommentar den ich je von einem öffentlichen Blatt gelesen habe. Shame on you!