„Die bisherigen Indizien für den schlimmen und trotzdem erfolgreichen Jan-Delay-Ausverkauf, der am 11. April beginnt, sind die ersten Vorabvideos. Nach deren Anblick kann man nur fassungslos sein, wie viel ein cleverer Musiker in so wenigen Minuten falsch machen kann. Mein Opa hatte dafür einen passenden Backpfeifen-Spruch im Sortiment: „Kein Arsch in der Hose, aber La Paloma pfeifen.“ (…) Wenn es stimmt, dass die kleinste sinnstiftende Einheit im Pop die Pose ist, hast Du sie nicht mehr im Griff. Und deswegen, ob Du mir das glaubst oder nicht, ein grundsätzliches Problem. (…)
Die erste Single Deines Albums heißt „St. Pauli“, und man fasst es kaum, weil es so berechenbar ist.
Dein „St. Pauli“ ist erschütternd harmloses Formatradio-Zeug. Touristenbespaßung. Pauschalpop für die blank polierten neuen Cocktailbars, die ganz weit oben sind über dem Boden der Kiez-Tatsachen, wo alles aufgeräumt ist und nicht mehr billig. Und im Video fliegst Du in einer „Star Wars“-Weltraumkneipen-Parodie durchs All und näselst aus dem Hinterkopf. Muss man mögen, fällt aber brutal schwer. Selbst in Udolinos Reeperbahn-Hymne, für die er „Penny Lane“ bei den Beatles ausgeliehen hat, ist mehr Bums drin als in diesem halb garen Track und der so überhaupt nicht geilen Zeile „Im Großen und im Ganzen ham‘ wir allen Grund zum Tanzen“.
Nein, Jan, ham‘ wir nicht.
Nicht nach dem Abriss der Esso-Häuser und dem Aus für das Molotow an dieser Adresse. Nicht nach dem Stress mit dem Gefahrengebiet, dem Streit um Demos und Polizeigewalt vor der Davidwache. Uns danach so zu kommen ist schwach. Dein Song ist als Aufreger selbst für Lanz zu lauwarm. „Auf St. Pauli brennt noch Licht, da ist lange noch nicht Schicht“? Mann, Jan. Dann les ich lieber ein gutes Buch.
(..)
Warum also das Ganze? Für Geld? Ist das wirklich so einfach zu erklären? Schon vor einigen Jahren hattest Du in einem Interview gesagt: „Ich hab Bock auf Kohle.“ Geht in Ordnung, haben die meisten. Aber ist das ein Grund für so viel Ranschmeiße an ein Publikum, dem Du mit dieser Masche so unecht inszeniert vorkommst wie Florian Silbereisen und Helene Fischer in ihren „Musikantenstadl“-Pappkulissen?“
(Joachim Mischke im Hamburger Abendblatt)
Und Bernd Begemann äußert sich zu dem Thema wie folgt (und völlig zutreffend):
„respekt für jan delay dafür, seinen „style“ derart dramatisch zu wenden (der geist von david bowie!). mein st. pauli-lied ist aber besser-und seltsamerweise auch aktueller, obwohl es aus den 90ern stammt.“
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=5EUFQCIaXd4[/youtube]
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