vonChristian Ihle 12.08.2014

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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1. Der Film in einem Satz:


Grundgesetz Artikel 20 Abs. 4 – The Uwe Boll Version.


2. Darum geht‘s:


Fünf Jahre sind vergangen seit Bill Williamson in „Rampage“ für den „schlimmsten Amoklauf der US-Geschichte“ gesorgt hat. Danach konnte er untertauchen* und ward nicht mehr gesehen. Doch nun kehrt Williamson im Sequel „Rampage 2 – Capital Punishment“ zurück und hat ein Anliegen: der Welt zeigen, wie falsch sie ist. Demzufolge läuft Williamson diesmal nicht wild amok, sondern greift gezielt einen Fernsehsender an und zwingt die dortigen Mitarbeiter, eine Sendung mit seiner Message auszustrahlen.


[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=XGvuyT32Uwc[/youtube]


Der deutsche Regisseur Uwe Boll hat sich einen Ruf wie Donnerhall erworben – vor allem dank seiner Videogame-Verfilmungen vor gut zehn Jahren. Seitdem wird Boll immer wieder als „schlechtester Regisseur der Welt“ bezeichnet und es wird ihm von vornherein abgesprochen, dass er mehr wollen könnte, als Direct-to-Video-Action-Trash zu drehen.

Aber hier wollen wir einmal kurz innehalten und der Person Uwe Boll Anerkennung zollen. Boll ist einer der schlagfertigsten Interviewpartner im ganzen Filmgeschäft (man erinnere sich nur an die „Roche & Böhmermann“ – Folge, in der er von Moderatoren bis Gästen alle an die Wand redete) und fällt zudem immer wieder mit einer aufrichtigen, wenngleich oftmals polarisierenden Begeisterung zu Kino und Film auf.

Aber zudem ist der Uwe Boll der letzten Jahre eben nicht mehr der „House Of The Dead“ – Schundregisseur von früher. Mit „Siegburg„, „Darfur“ und „Assault on Wall Street“ hat er zuletzt gleich drei Filme gedreht, die (bei aller gezeigten Gewalt) nicht ins simple Boll-Klischee passen wollen. „Siegburg“ ist eine Verfilmung eines realen Foltermordes in einem deutschen Gefängnis, „Darfur“ thematisiert die Menschenrechtsverletzungen im Sudan und „Assault On Wall Street“ ist ein bedächtiges Drama über die Verwerfungen des Turbokapitalismus, das letztendlich in einen Amoklauf eines Working-Class-Verlierers mündet – eine Art „Falling Down“ an der Wall Street, aber ohne den Rassismus des Michael-Douglas-Ausrast-Klassikers.





„Rampage 2“ steht also in der Tradition dieses Uwe-Boll-Kinos. Natürlich ist Boll auch hier effekthascherisch und mit Minimalbudget unterwegs, doch gilt eben auch anzumerken, dass Boll seine Filme als wahrer DIY-Kämpfer tatsächlich selbst finanziert und eben nicht auf Subventionsgelder wie der Großteil der restlichen deutschen Kinolandschaft zurück greifen kann und deshalb auch immer Schauwerte und Provokationen benötigt, die seine Filme „verkaufbar“ machen.

Das wirklich Bemerkenswerte an „Rampage 2“ und auch „Assault On Wall Street“ ist, wieviel Haltung diese Filme haben – sie mögen populistisch sein und einer Lynchjustiz das Wort reden, aber auf eine verdrehte Art sind sie dennoch nicht wertkonservativ, sondern mehr von einer liberalen Grundhaltung geprägt. Bolls großes Anliegen in „Rampage 2“ ist die Thematisierung der NSA-Machenschaften und die Ignoranz und Undankbarkeit der gewählten Regierungen Edward Snowden und Julian Assange gegenüber – einen längeren, recht komplexen Text von Assange lässt Boll im Film sogar explizit zitieren. Es wirkt beinahe, als wären Boll diese Themen ein solches Herzensanliegen, dass der darumgebastelte Film eher Beiwerk zu sein scheint. Es ist nicht wirklich schlüssig, dass gerade die Rampage-Amokläufer-Figur diese Anti-NSA- und Pro-Snowden-Attitude hat – es scheint eher, als hätte Boll diese Thematik in egal welchen Film eingebaut, den er eben gerade dreht, weil seine Message und seine Meinung nach Verbreitung schreien.

Boll scheint aber auch ein fast diebisches Vergnügen dabei zu haben, sich zwischen alle Stühle zu setzen. So ist die Anti-NSA-Message natürlich einerseits ein Thema, bei dem er kaum Widerspruch ernten wird. Aber er legt sie in den Mund eines psychopatischen Amokläufers statt wie noch in „Assault on Wall Street“ eines vom Leben schwer getroffenen Mannes, was Zustimmung und Empathie natürlich nicht gerade erleichtert. Boll macht es seinen Zuschauern nicht leicht und entwickelt dadurch eine Punk-Attitude, die man dem ehemaligen Schund-Filmer nicht zugetraut hätte.

Dass Boll auf diese Weise Politik in die dunkelsten Ecken der Videotheken trägt, ist ihm hoch anzurechnen – auch wenn man seiner Schlußfolgerung, dass die Bevölkerung mit allen Mitteln Widerstand zu leisten hat, wenn sie von ihrer Regierung verraten wird, nicht folgen muss.


3. Der beste Moment:


Nun ja, sicherlich nicht die besten Momente hat Uwe Boll selbst… Er spielt den hemdsärmeligen Senderchef und sagen wir es so: wir wissen nun, dass selbst die Uwe Boll – Tiefpunkte à la „House Of The Dead“ noch schlechter hätten sein können, wenn Boll auch noch mitgespielt hätte.

Beeindruckend dagegen Brendan Fletcher als Hauptdarsteller, der eine erstaunliche Intensität entwickelt und auch stark von einem klassischen Action-Hauptdarsteller abweicht. Es ist eine gebrochene, kaputte Figur, kein Übermensch, die hier im Zentrum steht.


4. Diese Menschen mögen diesen Film:


Tja, eine interessante Frage: einerseits sicher die Amoklauf-Freunde aus den dunklen Videothek-Ecken, doch für diese Kollegen lädt Boll seine Geschichte vielleicht mit zu viel Politikinfos und Assange-Monologen auf. Andererseits werden die Politinteressierten unwohl auf ihren Sitzen rutschen, wenn ausgerechnet der Herr Psychopath die richtigen Fragen stellt. Alles in Allem ein Grenzfilm, der aber weit besser und ernsthafter ist als die meisten erwarten würden und mehr Haltung besitzt als das Hollywood-Actionkino des restlichen Jahres.


* Regie: Uwe Boll
* imdb




* Kuriosum am Rande: nur in der Original-Fassung von „Rampage 1“ kann der Amokläufer entkommen, in der deutschen Version musste Boll auf Drängen der FSK das Ende dahingehend ändern, dass Williamson von der Polizei für seine Taten verhaftet und zum Tode (!) verurteilt wird.

Zu dieser Problematik existiert auch ein interessantes Statement von Boll selbst:

„Die Absurdität bei RAMPAGE ist ja die, dass eigentlich nur am Schluss was geändert werden musste. (…) Die wollen nämlich, dass die Polizei ihn kriegt. Und das ist eine vollkommene, finde ich, eine unglaubliche Kulturzensur, weil, der Film ist ja als Satire auf die Finanzkrise zu sehen. Nach dem Motto, du musst nur rigoros genug sein, dann kommst du damit davon. So. Ja, wenn er aber am Schluss gar nicht mehr davonkommt, dann hätte ich den Film ja gar nicht gedreht, sozusagen. Für mich ist das der härteste Schlag, den ich bisher von der FSK bekommen hab’, weil das ja noch nicht mal mehr ‘ne Diskussion ist um explizite Gewaltdarstellung oder so was.“

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