vonChristian Ihle 12.11.2014

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„Wie bei Kraftwerk, da war das ja auch so: Erst, am Anfang: toll. Der Sound fett, der Groove funky, alles, wie man es kennt, wie man es erwartet hatte, wie es sich gehört. Aber schon BEI der zweiten Nummer, nicht erst am Ende, mitten unter der zweiten Nummer wurde man schon ungeduldig, dachte schon: ja, ja. Gut. Ich weiß. Habe verstanden.
Aber die merkten das gar nicht, da oben auf ihrer lächerlichen Bühne. Dafür sind die auch wirklich schlicht zu STUMPF, die Herren von Kraftwerk, das kennen die gar nicht: dieses Ausfahren aller Antennen, um zu checken, was vorgeht im Publikum. Ziehen da stumpf und hohl ihren komischen Wir-bewegen-uns-nicht-Act durch. Unglaublich, eine Revolution: ganz toll, todlangweilig. Nacht acht Minuten war das schon ein Witz, das ganze blöde Kraftwerkkonzert. Eine Zeitreise vielleicht, jedenfalls eine Tortur.
Leg halt bitte mal eine neue Platte auf.
Haben die aber nicht gemacht. Ging das dann über zwei Stunden, der Stumpfsinn und Schwachsinn dieser angeblichen Götter, der Väter und Gottväter dieser Musik.
Kasperletheater. Scheußlich.“



(Rainald Goetz in seinem Buch „Rave“)



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kommentare

  • @dieter meckel
    Der Text von Goetz ist irgendwann in den Neunzigern erschienen, mit Helene Fischer oder „uns Älteren“ hat das nichts zu tun, sondern mit dem Hinterfragen wohliger Legenden.
    Und dieses Hinterfragen macht immer Sinn, es gab in diesem Blog vor kurzem auch mal den Ansatz einer Rubrik, „legendäre“ LPs in Frage zu stellen, ist irgendwie wieder versandet, war aber sehr interessant.

  • off-topic: http://www.youtube.com/watch?v=os-u9M8kRYk

    Mark Kermodes große Abrechnung mit Quentin Tarantino anläßlich „Death Proof“.

    „The defence of all of this infantile adolescent nonsense is ‚Quentin is a fan‘ – no he’s not. (…) This is not the work of a fan, it is the work of a man who has sold out. (…) What Quentin Tarantino has turned into is your embarrassing uncle who turns up at a wedding in a leather jacket and tells you how swinging he was back in the 90s. He’s that guy, he’s not a fan. He’s a money grubbing sell-out who can’t write, can’t direct and has run out of ideas.“

  • Kann man durchaus so sehen. Trotzdem : ich lege noch immer und immer wieder zu gerne die LP`s auf ( LP`s, nicht CD`s ). Und wenn die Autobahn musikalisch dann lautstärkeseitig auch mal durch das WG-Zimmer der benachbart-phlegmatischen Studenten führt, dann herrscht dort betretenes Schweigen zwischen Amazon-Kartons ( sponsert by Daddy und Bafög ).
    Und, lieber Herr Goetz, ist ein Helene-Fischer-Konzert zeitgeistig weniger scheußlich ? Lassen Sie uns Älteren den immer noch begeisternden Rückenschauer bei Radioaktivität, und grüßen Sie Helene !

  • Zwar wohl roundabout zwanzig Jahre alt, aber gilt auch heute noch: Treffender und – wie immer bei Rainald Goetz – sprachlich griffiger Kommentar. Kraftwerk waren und sind gut, aber irgendwann gibt es den Punkt, ab dem die Perpetuierung künstlerischer Verdienste nicht mehr in die unmittelbare gegenwärtige Erlebniswelt hineinwirkt, sondern sich das alle nur noch aus nostalgischen Wohlfühlmotiven heraus einreden.

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