vonChristian Ihle 06.07.2016

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„Dreieinhalb Jahre Aktenalayse, siebzig Zeugen, 578 Seiten – und nichts ist klar. In weiten Passagen liest sich der Mehrheitsbericht der Koalitionsmitglieder im BER-Untersuchungsausschuss wie die fatalistische Beschreibung eines Phänomens, als wäre das Flughafendesaster eine Art Naturereignis, das man nicht hätte verhindern, allenfalls etwas besser abwettern können. Ein Fall von höherer Gewalt, die man erst spät hat aufziehen sehen, weil die Warnsysteme offline waren, aus ebenso unerklärlichen Gründen. O. k., hier und da wurde ein Fenster nicht richtig geschlossen, der eine oder andere Blumentopf nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Aber wer hätte das tun sollen? Der Chef? Wofür hat man Hausmeister.

In den Worten der Ausschussmitglieder von SPD und CDU: „Seriöserweise kann in einem derart komplexen Projekt nur von einer Verflechtung geteilter Verantwortlichkeiten gesprochen werden.“ Das ist selbst für die Hauptstadt der unzuständigen Verantwortungslosigkeit ein bemerkenswerter Befund: Die Verdächtigten werden von Schuld freigesprochen, weil sie sich in geteilte Verantwortlichkeiten verflochten hatten – „geflüchtet hatten“ wäre wenigstens etwas ehrlicher gewesen, aber nicht einmal dazu hat es gereicht.

Stattdessen wird sogar noch das gute alte Kollektiv aus den Ruinen untergegangener Gesellschaftexperimente hervorgekramt: „Kollektiven Wirklichkeitsverlust“ attestieren die vermeintlichen Aufklärer den Beteiligten unisono, so als handele es sich bei der Flughafengesellschaft um eine obskure Sekte, die sich von halluzinogenen Pilzen ernährt. Wie praktisch, dass die Mitgliedschaft in einer transzendentalen Vereinigung kein Straftatbestand ist.“


(Lorenz Maroldt im Tagesspiegel über den Abschlussbericht zum BER)



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