Tele 5 ist schon der Punk unter den Fernsehsendern: parallel zum EM-Halbfinale hat Tele 5 vorgestern einfach mal eine dreistündige (!) Lesung (!!) von Heinz Strunks „Zum goldenen Handschuh“, der Mörderballade im Assikiezmilieu, ausgestrahlt. Im Bild zu sehen waren zudem nur lesende Menschen auf einem Sofa. Chapeau! Als Belohnung hat Tele 5 immerhin 40.000 Zuschauer eingesammelt. Am Sonntag während des EM-Endspiels folgt übrigens der zweite Teil!
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Es wird Zeit, einmal generell eine Lanze für Tele 5 zu brechen: klar findet sich im dortigen Programm viel Schund, aber wer sich die Mühe macht, einmal genauer die Programmzeitschriften zu studieren entdeckt für jeden Sharknado nämlich auch Ausstrahlungen von Arthouse-Klassikern von Lynch bis Kieslowski im normalen Programm (und nicht wie bei der ARD gerne um 2.45 Uhr) und ein bemerkenswert breites Programmangebot an asiatischen Kinofilmen.
Selbst bei den Eigenproduktionen ist Tele 5 zumindest origineller, unangepasster als der Rest der deutschen Provatfernsehlandschaft. Kalkofe hat eine Narrenfreiheit-Heimat bei Tele5 gefunden und auch ein wunderbares Nullkonzept wie „Der Klügere kippt nach“ von Hugo Egon Balder gibt es eben nur auf Tele 5. Ein schönes Interview zur Ausrichtung des Senders hat DWDL letztes Jahr mit Tele-5-Chef Kai Blasberg geführt, in dem Blasberg erfreulich offen und direkt über das Fernsehgeschäft redet:
„Der Klügere kippt nach“ geht also weiter. Bleibt’s denn beim Montagabend? Gefühlt ist es ja ein Format, das eher zum Wochenende passt…
Wir haben Zuschauer, die eher 45 als 35 sind. Für die ist es ein Geschenk, mal an diesem bittertraurigen Tag, dem Montag, ein wenig Abwechslung zu bekommen. In dem speziellen Fall ging es aber ohnehin nicht anders, weil Hugo Theater spielt und nur montags Zeit hatte. Das redet man sich dann schön – und zwar genauso wie ich das gerade gemacht habe. Aber es funktioniert und es ist auch gut so. Und mit den jungen Talenten von Frank Elstner haben wir auch gute Erfahrungen gemacht. Wir haben „Boomarama“ in der Wiederholung donnerstags nach WWE gezeigt – und da wurden die Quoten verdreifacht. Es gibt also offensichtlich selbst im Mainstream-System der GfK Bewegungen, die man messen kann, was unterschiedliche Zielgruppen angeht. Das ist eben etwas für junge Männer. Das ist aber eigentlich nicht mein Ziel. Die ganze Gesellschaft wird älter. Deshalb nützt es mir nichts, wenn ich von euch ein paar mehr kriege, weil ihr jungen Kerle – im Gegensatz zu den Älteren – nicht treu seid.
Am Ende sind die Zuschauer Schuld?
Manchmal. Wir haben eine super Musiksendung gemacht, „Playlist“. Das Format war bei 3sat meine Lieblings-Musiksendung. Keine Sau hat’s interessiert. Also liebe Zuschauer, erklärt mir keinen Scheiß von eurem Bedürfnis für gutes Fernsehen. Wenn man euch das liefert, seid ihr nie dabei. Und wenn ich aber einen Film wie „Crocodile vs. Octupus“ sende, dann haben wir den drei-, vier- oder fünffachen Senderschnitt.
Welche Lehren ziehen Sie daraus?
Keine. Wir haben ein Arthouse-Label im Programm, andersARTig. Junge Arthouse-Regisseure zuerst, Klassiker danach. Einschaltquoten? Vergiss es! Werde ich trotzdem weitermachen. Weil man so etwas braucht, wenn man ein Filmsender ist.
(…)
Sie bleiben jetzt also auf Lebenszeit bei Tele 5?
Niemals werde ich woanders im TV arbeiten als hier. Niemals. Es reizt mich null. Das war mal. Ich wollte mal Sat.1-Chef werden. Da war ich bei Guillaume de Posch und dass er mich nicht ausgelacht hat, war alles. Und heute unter diesen Rahmenbedingungen bei einem der großen TV-Konzerne zu arbeiten, entspräche nicht meiner Lebensplanung. Da wird doch nicht mehr in die Substanz der Sender investiert. Aber Unternehmen, die nicht genug in die eigene Substanz investieren, enden wie die A1-Brücke bei Ihnen da in Leverkusen.
Woher kommt die starke Abneigung?
Die letzte große Innovationswelle im Deutschen Fernsehen ist 10 Jahre alt. Seitdem herrscht diese Controller-Logik: Läuft doch noch! Wenn es von 25 Prozent auf 15 absackt, muss ich nur die Kosten beim Produzenten senken und schon ist die Rentabilität wieder da. Da fehlt mir die Liebe zu dem, was ich mache und die Liebe zu dem, für den ich das mache.
Sie sehen bei den großen Sendern also eine fehlende Liebe zum Programm?
Wenn mir Mitarbeiter der großen Sender mit ihren Rekordgewinnen sagen, dass ich es ja auch echt leicht hätte bei Tele 5, dann ist das doch absurd. Die haben doch all das Geld und all die Aufmerksamkeit. Wir drehen jeden Euro zweimal um und gelten dennoch als innovativ. Das Privatfernsehen hat mich komplett verloren. Auch als Zuschauer. Die meinen nicht mich. Die halten ein Schild hoch mit: Kai, schalt um! Und das ist bei Tele 5 tatsächlich anders. Und das liegt nicht daran, dass wir sagen: Wir machen es so billig, wie es nur geht. Sondern es ist wirklich handverlesen. Aber ja: wir kaufen auch günstig.
Bei der Fortsetzung eines Kultfilms innerhalb Ihrer Nische wie beispielsweise „Sharknado“ dürfte es Wettbewerb gegeben haben. „Günstig“ war das doch aber sicher nicht?
Den ersten Teil gab es auch schon nicht ohne Wettbewerb, den zweiten natürlich erst recht nicht und auch beim dritten Teil wollten mehrere – aber wir haben ihn. Da war es nur so, dass ich dem Rechtelieferanten, der bei uns 40-60 Filme im Jahr unterbringt, drei Dinge gesagt habe: 1. Wenn Du Deine Highlights an andere verkaufst, kaufe ich Dir gar nichts mehr ab. 2. ProSiebenSat.1 und Co. kaufen Dir ein oder zwei Filme ab, aber ich nehme auch die ganze Suppe, die sonst keiner will. 3. Ich bring Dich um (lacht). Deswegen ist und bleibt Tele 5 im deutschen Fernsehen für Fans dieser Filme „The Home of Asylum“. Wir freuen uns, dass dieses prächtige Studio eine Heimat bei uns gefunden hat.
Auf welchen Sendestrecken verdienen Sie denn Geld? Mit „Der Klügere kippt nach“ schon mal nicht, wenn dort keine Werbung läuft. Mit andersARTig ja offensichtlich auch nicht…
Wir gewinnen unser Rennen über die Kosten. Wir kaufen unsere Programmware sehr günstig ein, zu Preisen, die vor fünf Jahren undenkbar gewesen wären. Wir gehen in Videotheken und schauen uns an, was da eigentlich steht. Da steht doch nicht nur „Der Hobbit“ rum! Wir hatten von 200 neuen Filmen im letzten Jahr 100 Erstausstrahlungen in Deutschland. Damit haben wir großen Erfolg.