Die besten Bücher
1. „Futur II“ von der Gruppe Ja, Panik
Ein verrückt gutes Buch. Zehn Jahre Ja, Panik und doch viel mehr als eine schnöde Bandbiographie, sondern eine komplexe Erzählung getarnt als Briefwechsel zwischen den Bandmitgliedern straight aus dem Panoptikum. Jedes Bandmitglied erfüllt in der Futur II – Geschichte eine andere Funktion: Bassist Stefan wird zum Huysman’schen Einzelgänger und von Tag zu Tag wunderlicher. Schlagzeuger Sebastian soll ins Wiender Bandarchiv, landet aber stattdessen immer wieder auf anderen Partys, fremden Städten, bei lieben Freunden und garstigen Taxifahrern. Drogen, Alkohol, L’Amour und alles mehr verhindern seinen Archivzugang, so dass sich seine Briefe an die Gruppe wie die Exzesse eines hedonistischen Flaneurs lesen, der immer überall ist – aber nie da. Zwischen diesen kleinen Meisterwerken des Absurden aber schreibt Andreas Spechtl an seine Bandmitglieder Briefe, die so klug, weise und tieftraurig sind, dass man sich wundert, warum er überhaupt noch Lieder schreibt und nicht gleich den großen Roman für unser Zeitalter.
„Außerdem habe ich im Kühlschrank Brandy gefunden. Gold Brandy, extra quality. Alright. Wie bei allem auf dieser verkommenen Welt wird auch hier einfach nur das Gegenteil der Fall sein.“
2. „Das ZickZack Prinzip: Alfred Hilsberg – ein Leben für den Underground“ von Christof Meuler
Wer eine geradlinige Biographie der DIY-Legende Alfred Hilsberg erwartet, hat wohl in der Hamburger Schule nicht aufgepasst! Das Buch über Hilsbergs Leben ist eine Geschichte dere Abzweigungen, der Diskussionen, der Irrtümer – und auch der Triumphe. Buch wie Leben sind ein einziges Chaos, die Biographie war über ein Jahrzehnt in der Mache & wurde letztendlich ohne Hilsberg veröffentlicht, worauf ein Scharmützel zwischen Hilsberg und Biograph Meuler folgte und der Verlag wiederum versuchte, Hilsberg zu untersagen, das Buch schlecht zu reden. Jedenfalls, „Das ZickZack-Prinzip“ ist ein wunderbarer Ausschnitt über die linke deutsche Subkultur der 60er bis 90er. Von K-Gruppen über DIY-Punk zur Hamburger Schule bis hin zu Verzweiflung über die Desorientierung durch die Wiedervereinigung erzählt Meuler mit vielen Zitaten die Geschichte Hilsbergs als eine Art Zelig der deutschen Kulturlinken.
3. „Pop: Ein Panorama der Gegenwart“ von Jens Balzer
Man ist geneigt, Jens Balzers „Pop“ in „Kammschwellender Balzgesang“ umzubennen, so sehr feuert er in der ersten Buchhälfte balzertypische Schmähkritiken über alles und jeden ab (Nirvana, Celine Dion, Beyonce, Art Garfunkel, you name it…). Darüberhinaus finden sich allerdings etliche kluge Anmerkungen über die Weiterentwicklung von Pop (im weitesten Sinne verstanden, also alles, was eben nicht Klassik oder Jazz ist), sicherlich auch manche diskutable These (ob jetzt gerade die Strokes & die Libertines als Beispiele für die letzten breitbeinigen heterosexuellen Männlichkeitsmaschinen geeignet sind?), aber vor allem viel Witz und tolle Geschichten von Konzerten in einer beeindruckenden Bandbreite: von Sunn O))) geht’s über Rihanna zu Helene Fischer. Ein besonders Fließbienchen gibt es für die ostentative Verweigerung, die „Mehrzweckhalle am Postbahnhof“ anders als eben so zu benennen!
Die beste Compilation / Reissue
Falscher Ort, Falsche Zeit – Power Pop & Mod Sounds from Germany, Austria & Switzerland 1980-1990 – Vol. 1 & 2
Die von Carsten Friedrichs (Superpunk, Liga der gewöhnlichen Gentlemen) zusammengestellte Compilation „Falscher Ort, Falsche Zeit“ wirft nun endlich ein Licht auf all die großartigen, völlig vergessenen Bands der 80er, die sich von Paul Wellers Bands The Jam und Style Council genauso beeinflussen ließen wie von den Dexys, Orange Juice oder den britischen c86- und Mod-Sounds, die Rough Trade in der ersten Hälfte der 80er veröffentlichte. Die erste Compilation reiht vergessenen Hit an niegewesenen Hit, Volume 2 ist dagegen deutlich trüffelschweiniger unterwegs, glänzt dafür aber mit dem Jahrzehntsong „Kommst Du Mit In Den Alltag“ von Jetzt!. Danke fürs Ausgraben!