vonChristian Ihle 18.05.2018

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„Ich möchte nicht so weit gehen, Herrmann strategisches Geschick oder gar politische Intelligenz zu unterstellen, aber er hat ohne Zweifel ein Gespür für Populismus. (…) Er hat den argumentativen Nährwert einer Kuh aus Styropor. (…) Herrmann unterstellt implizit, der Protest entstehe aus Mangel an Informationen. Das ist politischer Narzissmus in Reinform. Wer Bescheid weiß, muss meiner Meinung sein, wer anders denkt, ist schlecht informiert. Damit wertet Herrmann Gegner ab und erklärt seine Position zur einzig vernünftigen. Das ist das Gegenteil von politischer Debatte. (…) Die CSU verwechselt traditionell Demokratie und Mehrheitsherrschaft, vermutlich die Folge von Jahrzehnten absoluter Mehrheit samt politischer Filzgewohnheit.

„Ein Spezialeinsatzkommando muss auch mal eine Tür aufsprengen können, wenn sich dahinter Terroristen verschanzt haben. Das sehen Sie jede Woche zigmal im Fernsehen, da finden es die Bürger dann ganz normal.“

Die gespenstischste Passage des Herrmann. Dass ein Innenminister ausgedachte Fernsehinhalte als Argument für egal was benutzt, ist bereits verstörend. Aber hier entfaltet sich die volle Boshaftigkeit des Populismus. Man kann sich nämlich auch unterhaltsame Filme ansehen, in denen ein Meteorit die Erde zerstört und trotzdem ein sanftes Unbehagen verspüren, wenn dieses Szenario droht, wirklich einzutreffen. Ich halte das nicht für Zufall, der Trumpsche TV-Populismus funktioniert exakt so: mediale Perzeption ist Realität, was im Fernsehen funktioniert, funktioniert auch in der Welt. Herrmann trumpt.

„Mit dem Gesetzentwurf sind keinerlei politisch-taktische Finessen verbunden.“

Das stimmt insofern, als „Finessen“ vom französischen Wort für „Feinheit“ stammt. Und natürlich handelt es sich – fünf Monate vor der Wahl in Bayern – gewiss nicht um politisch-taktische Feinheiten, sondern um das grobmotorische CSU-Angststampfen mit der filigranen Eleganz einer Schlammlawine.

„Dass wir jetzt darüber beschließen, hat damit zu tun, dass ein Großteil des Gesetzes die Umsetzung der EU-Datenschutzverordnung beinhaltet – mit mehr Datenschutz für die Bürger.“

Handgranaten, digitale Vollüberwachung und Endloshaft – alles für den Datenschutz. Soso. Auch diese bizarre Ablenkung deutet auf Tribalismus, denn für den eigenen Stamm reicht, dass Argumente sich gut anfühlen. Sie müssen keinen Sinn ergeben.

Soweit also „Mr. Sicherheit“, Joachim Herrmann: Irreführung, Gegner-Abwertung, Bigotterie, Unverständnis demokratischer Diskussion, Tribalismus und Trumpismus durch vorsätzliche Verwechslung von Fernsehen und Realität. Der fantastischen Vorarbeit von Hans-Peter Friedrich und Horst Seehofer sei Dank: Spätestens mit dem Polizeiaufgabengesetz und dessen Verteidigung durch Joachim Herrmann steht die Frage im Raum, ab wann „CSU-Innenminister“ zur justiziablen Beleidigung wird.“

(Sascha Lobo in einem lesenswerten Rant über Joachim Herrmann)


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kommentare

  • Rethorisch feinsinnig argumentiert, herr Lobo!

    Bin kein Follower der Digitalisten und des Digitalismus, aber der Beitrag hat mir gefallen.
    Vielleicht weil er, von ihnen, mal nicht so digitalistisch ist, sondern sich den Realitäten annähert?!

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